#192 kkkkkkkkk12.06.2006 - 22:22 |
Flemmer: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, Grüß Gott und herzlich willkommen zum Alpha-Forum. Mein Gesprächspartner im Studio ist heute Friedrich Kardinal Wetter, der Erzbischof von München und Freising. Am 10. Oktober 1953 wird in Rom ein junger Theologe zum Priester geweiht. 50 Jahre eines priesterlichen Lebens beginnen damit. Man könnte auch sagen, 50 Jahre einer steilen Karriere: vom Kaplan in Speyer bis zum Kardinal der römisch-katholischen Kirche. Begonnen hat jedoch alles in der Pfalz, in Landau. Dort sind Sie 1928 geboren worden. Was war das für ein Elternhaus, das Sie auf einen solchen Beruf vorbereitet hat? Haben Sie in diesem Elternhaus etwas erlebt, das sozusagen der Saatgrund sein könnte für einen Priesterberuf? Wetter: Ich habe bei meinen Eltern den Glauben gelernt, ich habe von meinen Eltern das Beten gelernt. Dort ist der Grund gelegt worden für alles, was später folgte. Das, was später folgte, war keine steile Karriere nach oben. Unser Elternhaus war einfach und ich bin immer auf dem Boden geblieben. Flemmer: Ihr Vater war Eisenbahner. Er ist auf den Lokomotiven gefahren und Sie sind als Junge im Geist vielleicht ab und zu mitgefahren. So könnte es ja gewesen sein. Wetter: Nicht nur im Geiste, ich durfte manchmal mit dem Vater auch wirklich auf der Lokomotive mitfahren. Flemmer: Hatte eigentlich der Vater einen stärkeren Einfluss auf Sie oder doch die Mutter? Wetter: Im Hinblick auf die religiöse Erziehung und Bildung kam der stärkere Einfluss sicherlich von der Mutter. Aber ich will hier gar nicht nach mehr oder weniger gewichten, sondern sagen, dass Vater und Mutter je ihre eigene Form hatten, die sie bei der Erziehung ins Spiel gebracht haben, um mich zu prägen. Ich bin der Mutter für vieles dankbar und ebenso dem Vater. Bei der Mutter war es mehr das Sprechen und das Tun, beim Vater einfach das stille Vorbild. Flemmer: Sie sind damals ja auch in die Jugendarbeit gekommen. Die katholische Jugendbewegung hat Sie also mit geprägt in diesem Städtchen relativ nahe an der französischen Grenze. Sie haben dann in der Kriegszeit natürlich auch noch ganz besondere Erfahrungen gemacht, aber darauf werden wir gleich noch zu sprechen kommen. Gab es denn in Ihrem familiären Umfeld bereits geistliche Berufe? Wie sind Sie da hingeführt worden? Wetter: Im familiären Umfeld hat es sie nicht gegeben. Aber ich habe natürlich in meiner Jugend ein lebendiges Pfarrleben erfahren und bin Priestern begegnet, die mich geprägt haben, zu denen ich aufschauen konnte und die mich beeindruckt haben. Flemmer: Jugendgruppe, Jugendbewegung: In diese Zeit fiel für Sie ja auch das Erleben des Dritten Reiches, das Sie dann ja auch noch zum Flakhelfer gemacht hat in jungen Jahren. Wetter: Ja, ich erinnere mich wirklich sehr gerne an unsere Jugendarbeit. Sie war ja vom Staat aus verboten. Aber das hat uns nicht wirklich behindert. Wir haben uns einfach im Rahmen unserer kirchlichen Möglichkeiten in der Jugend zusammengefügt. Dieser Gemeinschaft der Jugendlichen war wirklich eine verschworene Gemeinschaft: Dort ist man immunisiert worden gegen die nationalsozialistischen Beeinflussungen. Wir standen fest. Wenn ich heute im Nachhinein das Wachsen meines priesterlichen Berufes betrachte, dann sehe ich da ganz klar ein Zusammenspiel zwischen meinem Elternhaus, der Jugendarbeit in der kirchlichen Jugend und auch bei den Ministranten und dem Mitleben in der Pfarrei. Das war eine innere Einheit, die mich im Glauben bestärkt hat, sodass nie irgendwelche Anfechtungen möglich waren. Flemmer: Da muss man doch sehr stark gewesen sein, denn viele Jugendliche sind in dieser Zeit doch mit fliegenden Fahnen zur HJ gegangen und erlagen damit all diesen Parolen, die man ja tatsächlich sogar noch an allen Wänden sehen konnte. Wetter: Diesen Parolen bin ich nie auf den Leim gegangen, nie. Dies hatte eben mit dieser inneren Stärke zu tun, die ich im Elternhaus und dann in der kirchlichen Gemeinschaft erfahren habe. Flemmer: Sie mussten dann sogar noch in den Krieg ziehen und haben die Angriffe auf deutsche Städte erlebt. Der junge Flakhelfer Wetter hat somit diese ganze Barbarei, wie man wohl sagen muss, mitmachen müssen. Ist Ihnen dabei etwas besonders in Erinnerung geblieben? Wetter: Ich wundere mich heute noch, mit welcher Ruhe ich damals die Bombenangriffe in Mannheim erlebt habe. Wir waren im Süden von Mannheim stationiert und lagen in der Einflugschneise der Bomber. Und nicht nur einmal ging ein Bombenteppich über unsere Stellung hinweg. Es gab dabei auch Tote. Natürlich hat uns das innerlich nicht unberührt gelassen. Aber wenn die Bomben fielen und ich war mir bewusst, dass die nächste Bombe auch in unseren Stand fliegen könnte , hatte ich dennoch irgendwie ein inneres Gefühl der Sicherheit. Ich wusste: Du überstehst das. Flemmer: Machen wir einen kleinen Sprung: Der junge Student der Theologie geht nach Rom. Wie kommt man denn eigentlich als Theologiestudent nach Rom? Wetter: Mein Bischof, der damalige Bischof Josef Wendel, der spätere Erzbischof von München und Freising, hat mich nach Rom geschickt. Er ist wohl durch irgendwelche Leute, die mich kannten, auf mich aufmerksam gemacht worden. Flemmer: Das ist ja schon irgendwie eine Vorauswahl. Denn das Germanicum in Rom ist ja der Ausgangspunkt vieler Bischofskarrieren geworden bzw. ist es immer schon gewesen. Wetter: Ja, ich bin jedenfalls nach Rom gegangen, um Priester zu werden und nicht, um Bischof zu werden. Ich war einfach dankbar dafür. Schauen Sie, wir waren doch während der Nazizeit und dabei vor allem in der Kriegszeit sehr eingeengt gewesen innerhalb unserer Grenzen. Und jetzt plötzlich die Chance zu bekommen, ins Ausland zu gehen und vor allem nach Rom zu gehen! Das war schon etwas Faszinierendes für einen jungen Menschen. Flemmer: Aber man braucht dafür Empfehlungen, man braucht den Bischof, der einen dorthin schickt. Wetter: Sicher, selbstverständlich. Man konnte sich dort nicht selbst anmelden. Der Bischof schickt einen. Flemmer: Rom war natürlich ein besonderes Erlebnis für den Studenten. Sie haben dort die Erfahrung der Kurie gemacht und auch die Erfahrung, sozusagen im Zentrum des katholischen Glaubens zu studieren. Wir war das damals? Wetter: Ich habe dort gleich im ersten Jahr, also 1948, eine ganz tolle Erfahrung machen dürfen. Die deutschen Bischöfe konnten damals zum ersten Mal nach dem Krieg, nach der Nazizeit, wieder nach Rom zum "Ad lumina"-Besuch fahren. So kamen im Laufe meines ersten römischen Jahres sämtliche deutschen Bischöfe in unser Haus. Für mich war das eine interessante Erfahrung. Bei den Hirtenbriefen wurden damals ja noch die Namen der Bischöfe alle einzeln aufgezählt. Ich kannte diese Namen also eigentlich alle aus dem Gottesdienst: Und nun sah ich die alle einmal lebendig vor mir. So ist mir eigentlich die Kirche in Deutschland erst in Rom nahe gebracht worden. Ich habe sie dort wirklich erfahren. Natürlich war diese römische Zeit für mich auch eine Zeit, Weltkirche zu erfahren. Das war ja das Eigentliche, das man in Rom mitnehmen konnte. Flemmer: Wie erfährt man denn dabei als junger Student die Kurie, den Papst? Gab es da überhaupt einen Zugang oder war das Germanicum sozusagen ein eigener, abgeschlossener Bereich? Wetter: Das Tor zur Weltkirche wurde eigentlich durch unsere Universität geöffnet. In der Uni waren wir mit Studenten, mit Alumnen aus der ganzen Welt beisammen. Es war schon sehr interessant, dabei auch mal all die verschiedenen Nationen zu erfahren und zu erleben. Nach dem Krieg hatte Deutschland in der Welt doch ein bestimmtes Bild: Da war es dann eben sehr interessant, mit den Franzosen, mit den Amerikanern, mit den Engländern, mit den Schotten zusammen zu kommen. Da hat es eigentlich keine großen Berührungsängste gegeben. Flemmer: Wie unterhielt man sich da eigentlich? Auf Englisch? Auf Lateinisch? Wetter: Ach, gerade in der Sprache, in der es eben am Besten ging: in Italienisch usw. Schwierigkeiten hatten wir eigentlich nur mit den polnischen Studenten. Da hat es wirklich große Berührungsängste gegeben. Ich bin eigentlich froh darüber, nun zu merken, wie diese Dinge, die wir noch 1948, also unmittelbar nach dem Krieg, erlebt haben, doch alle abgebaut sind. Das ist wirklich eine schöne Erfahrung. Flemmer: Wir haben es schon erwähnt: Ihre Priesterweihe erfolgte 1953. Danach waren Sie dann Kaplan in Speyer. Sie waren aber auch sehr schnell Dozent am Priesterseminar. Wie ist das so schnell möglich gewesen? Wetter: Ich habe am Ende meines Studiums meinem Bischof einen Brief geschrieben und ihm angezeigt, dass mein Studium nun zu Ende sei. Ich habe in diesem Brief eine einzige Bitte geäußert: "Schicken Sie mich zu einem Pfarrer, bei dem ich etwas lernen kann!" Das hat er tatsächlich getan. Er hat mich zu einem Pfarrer geschickt, mit dem er befreundet war und der wirklich ein vorbildlicher und tüchtiger Seelsorger war. Dort habe ich mich in meiner Kaplanstätigkeit wirklich wohl gefühlt, habe aber auch vieles erst noch lernen müssen. Denn wir hatten ja in Rom keine praktischen Übungen und Vorbereitungen für die Tätigkeit in der Seelsorge erfahren. Unser Studium war ganz auf die Wissenschaft hin ausgerichtet gewesen. So musste ich einiges erst noch lernen. Ich war dabei wirklich ein froher und glücklicher Kaplan. Man brauchte dann eines Tages im Priesterseminar einen Dozenten und das Auge des Bischofs fiel dabei auf mich. So kam das zustande. Flemmer: Sie mussten ja auch erst noch Ihre Doktorarbeit schreiben. Wetter: Nein, die hatte ich in Rom bereits abgeschlossen. Flemmer: Diese Promotion hatte ein besonderes Thema. Was war das für ein Thema? Wetter: Es ging um eine Frage aus der Eschatologie: Wie ist das mit der Gottesschau und wird sie bei der Auferstehung der Toten, des Fleisches intensiviert? Das ist also eine Streitfrage aus dem späten Mittelalter, bei der sogar mal ein Papst daneben gegriffen hatte. Flemmer: Das späte Mittelalter und das Mittelalter überhaupt hat Sie dann ja thematisch mit dem Philosophen Duns Scotus bis zu Ihrer Habilitation begleitet. Der junge Dozent am Priesterseminar machte also einerseits seelsorgerische Erfahrungen und hat andererseits aber auch schon seine spätere Karriere als Professor begonnen. Hatten Sie damals die Vorstellung, dass Sie eines Tages als Theologieprofessor an einer Universität tätig werden würden? Wetter: Ich habe mir meinen Lebenslauf nicht geplant. Die Habilitation kam folgendermaßen zustande. Professor Schmaus kam eines Tages zu uns ins Priesterseminar, weil er dort Vorträge zu halten hatte. Wir kamen dabei miteinander ins Gespräch und er erkundigte sich nach meiner Promotion. Flemmer: Schmaus war ein Münchner Theologe. Wetter: Richtig. Als er sich meine Arbeit angesehen hatte, meinte er zu mir: "Ich lade Sie ein, zu mir zur Habilitation zu kommen. Sagen Sie Ihrem Bischof einen schönen Gruß von mir, er möge Sie freistellen. Dies habe ich dem Bischof auch mitgeteilt und er ließ mich gehen. So kam ich nach München, um hier meine Habilitation zu machen. Flemmer: Das heißt, die Dinge bzw. die Berufungen sind immer auf Sie zugekommen. Wetter: Ja. Flemmer: Sie waren dann Professor in Eichstätt und in Mainz. Und dann kam wieder etwas auf Sie zu, denn Ihre pfälzische Heimat hat nach Ihnen gerufen. Sie wurden Bischof, Bischof in Speyer. In Speyer Bischof zu sein, war natürlich ein guter Ausgangspunkt für noch weitere Dinge, wie man an einigen Ihrer Vorgänger in diesem Amt sehen konnte. Wetter: Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie ich damals von Nuntius Bafile die Mitteilung bekommen habe, dass der Papst mich zum Bischof von Speyer ernennen möchte. So etwas geschieht ja nicht ohne die Zusage des In-Aussicht-Genommenen. Ich fuhr morgens zur Uni zur Vorlesung und als ich aus der Tür trat, lag da ein Brief, mit der Eilpost gesandt. Ich sah nach dem Absender, der mir völlig unbekannt war: "Bad Godesberg, Turmstraße". Ich habe dann diesen Brief geöffnet und dort in diesem Brief stand, was mir bevorstand. Der Nuntius bat mich darin auch, ihm möglichst bald mein Jawort zu übermitteln. In diesem Gefühl bin ich also an diesem Tag in die Universität gegangen. Natürlich musste ich zu all dem völliges Stillschweigen bewahren. Nach einer Beratung mit dem damaligen Bischof von Mainz, dem späteren Kardinal Hermann Volk, mit dem ich mich gut verstanden habe, habe ich mein Jawort gegeben. Und so kam es dann auch sehr schnell zur Ernennung. Flemmer: Das heißt, Sie sind in Ihrer pfälzischen Heimat angesiedelt worden als Bischof. Sie haben ja auch nach wie vor ein besonderes Verhältnis zur Pfalz, zu Ihren Wurzeln. Hatten Sie denn auch ein besonderes Verhältnis zu den Gläubigen, den Katholiken Ihres Bistums dort? Es war ja immerhin so, dass die Gläubigen dort quasi ihren "eigenen" Bischof bekommen haben: einen Mann, der in Landau geboren war und der etwas von der Mentalität dieses Landes verstand. Denn das ist ja wohl tatsächlich eine besondere Mentalität. Wetter: Durch das Mitleben mit der Kirche war mir natürlich das Bistum eine geistige Heimat gewesen. Ich kannte dort auch viele Menschen: Wir hatten in Landau, wo ich groß geworden bin, auch immer wieder mehrere Kapläne gehabt, sodass ich also bereits aus meiner Jugendzeit einige Menschen aus dem dortigen Klerus kannte. Und ich hatte auch in Eichstätt und in Mainz Studenten, Alumnen aus dem Speyerer Priesterseminar: Diese Leute, die ich also bereits kannte, habe ich dann später selbst zu Priestern geweiht. Für mich war es also schon eine große Hilfe, dass ich bei Amtsantritt bereits einen großen Teil des Klerus kannte. Und wie gesagt: Speyer war eben mein Heimatbistum, in dem ich mich zu Hause fühlte. Flemmer: Und dann kam die große Überraschung, dann kam nämlich München. Wetter: Ja. Flemmer: Es kam der Ruf, auf den Stuhl des dortigen Erzbischofs zu gehen. Hat Sie dieser Ruf eigentlich überrascht? Wetter: Sehr, sehr. Flemmer: Wie kam das damals zustande? Wetter: Wie das zustande kam, weiß ich nicht. Es war einfach so, dass ich eines Tages von Nuntius Guido del Mestri angerufen wurde. Er sagte zu mir, er möchte mich in der nächsten Zeit, genauer gesagt sogar möglichst bald, gerne sprechen. Ich hatte wenige Tage später ohnehin an einer Sitzung in Bonn teilzunehmen. Ich fuhr also nach Bonn und ging zunächst einmal gleich zum Nuntius. Dort sagte er mir das. Sie können sich vorstellen, dass mir das natürlich sehr nahe gegangen ist, dass mir das in die Knochen gefahren ist. Flemmer: Sind sie erschrocken? Wetter: Ich war jedenfalls nicht in der Lage, dem Nuntius sofort noch in diesem Gespräch mein Jawort geben zu können. Denn das wäre ihm natürlich am liebsten gewesen. Als ich dann von der Nuntiatur wegfuhr ich sehe ihn heute noch genau vor mir , stand er an der Pforte, beide Hände zur Bitte geformt: "Bitte, gib mir bald eine positive Antwort!" Flemmer: Da ist Ihnen wohl schon ein bisschen der Schreck in die Knochen gefahren. Hatte der Schreck auch ein bisschen mit diesem Land Bayern, mit diesen Altbayern und deren doch etwas anderer Mentalität zu tun? Wetter: Ach nein, München war mir ja nicht unbekannt. Ich war schon als Kind immer wieder nach Bayern, nach München gekommen. Ich kannte darüber hinaus auch eine ganze Reihe von Münchner Priestern: Ich hatte ja zwei Münchner als Studienkollegen in Rom gehabt. Nein, ich hatte keine Angst vor München. Meine Sorge hatte vielmehr mit der großen Aufgabe zu tun, die damit auf mich zukommen würde. Diese Aufgabe hat mich doch ein bisschen erschreckt. Und es hat mich natürlich auch die Trennung von meinem Heimatbistum erschreckt. Flemmer: Eben. Wetter: Ich hatte dort ja wirklich Wurzeln gefasst, denn das waren ja fast 15 Jahre bischöflicher Tätigkeit gewesen: Ich kannte z. B. alle Priester des Bistums, vom jüngsten Kaplan bis zum ältesten Emeritus, und wusste genau, wo ich wen finden konnte. Bei manchen kannte ich sogar ein Stück ihrer Lebensgeschichte. Die Verwurzelung war also schon sehr groß, sodass es mir nicht leicht fiel, diese Wurzeln herauszuziehen. Es bleibt natürlich immer eine Verwurzelung in der Heimat: Die kann man nie rückgängig machen und soll sie auch nicht rückgängig machen. Aber der Abschied vom Bistum, die Trennung vom Bistum ist mir in der Tat nicht leicht gefallen. Aber ich sah darin eben einen Ruf: Ich bin immer dem Ruf gefolgt, der an mich ergangen ist. Ich habe im Ruf des Papstes, im Ruf der Kirche, den Ruf Christi gesehen. Ich hatte doch bei meiner Priesterweihe "Adsum" gesagt, "ich bin bereit, hier bin ich". Auf dieser Linie bin ich geblieben. Flemmer: Das heißt, es gibt im priesterlichen Leben immer auch den Gehorsam, den man versprochen hat. Wetter: Schauen Sie, unser Dienst ist ja immer Dienst in einer Sendung. Ich sende mich nämlich nicht selbst, ich mache mich nicht selbst auf den Weg, sondern ich werde gesandt. Das heißt, ich halte mich an den Sendenden. Dies können Sie auch mit dem Wort "Gehorsam" ausdrücken, selbstverständlich: Ich übernehme diese Aufgabe, die mir übertragen ist, und führe sie durch, nach bestem Können und bestem Wissen und Gewissen. Dr. Walter Flemmer Dr. Walter Flemmer und Friedrich Wetter Friedrich Wetter Flemmer: Man nimmt ja in einem solchen Amt eine ungeheure Verantwortung auf sich. Nach München auf den Stuhl des Erzbischofs zu gehen, bedeutet ja mehr oder weniger auch den Weg ins Kardinalskollegium. Denn so gut wie alle Erzbischöfe in München in den letzten zwei Jahrhunderten sind ins Kardinalskollegium berufen worden. Hat Sie das damals schon bewegt? Oder haben Sie sich gesagt: Jetzt gehe ich erst einmal nach München und dann sehe ich weiter. Wetter: Ich bin nach München gegangen, um den Ruf des Herrn anzunehmen und zu erfüllen. Ich muss sagen, ich bin in München gut aufgenommen worden, sogar sehr gut aufgenommen worden. Es hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, dass man schon nach wenigen Wochen nicht mehr gesagt hat "der neue Erzbischof", sondern "unser Erzbischof". Es war für mich schon eine angenehme Mitteilung, als ich sah, dass ich von den Leuten hier angenommen werde. Ich hoffe, dass die Münchner auch gemerkt haben, dass ich nicht mit Widerstreben zu ihnen gekommen bin, sondern gerne diese Aufgabe angenommen habe, um für sie da zu sein, um als Bischof meinen Dienst für sie zu tun. Flemmer: Sie haben ja auch in den Jahren seit 1982 viele Beweise der Nähe und des Aufgenommen-Seins erfahren dürfen, denn das darf man wohl durchaus so sagen: bei den Katholiken in Bayern insgesamt und natürlich auch bei den Priestern dieser Erzdiözese. 1985 erfolgte dann auch in der Tat der Ruf ins Kardinalskollegium. Sie durften nach Rom gehen, Sie durften aus der Hand des Papstes das berühmte Käppchen, das Birett, entgegennehmen. War das eine große Freude für Sie? Wetter: Ich habe mich schon gefreut über diese Ehrung. Ich sehe darin ja keine persönliche Auszeichnung. Stattdessen ist das für die Aufgabe, die ich habe, eher so etwas wie ein Dienstanzug, nicht wahr. Flemmer: Das ist ja wohl auch eine neue Erfahrung der Weltkirche. In keinem anderen Kollegium, höchstens noch bei der UNO, hat man einen solchen Weitblick in die Welt hinaus. Sie begegnen dort ja ständig Kardinälen aus anderen Erdteilen. Gibt es dort einen lebendigen Austausch über die Probleme, über das, was die Kirche insgesamt bewegt? Wetter: Die Gespräche mit den Kardinälen aus den verschiedenen Ländern stellen einen sehr interessanten Austausch dar. Das wird natürlich gepflegt und wenn das Kardinalskollegium insgesamt zusammenkommt der Heilige Vater hat ja verschiedentlich das Kardinalskollegium auch zu Konsultationen zusammengerufen , dann kommt sehr wohl etwas heraus von diesem weltkirchlichen Denken. Flemmer: Kommen wir wieder zurück nach Bayern, nach München. Sie gelten ja nicht als Revolutionär, aber Sie haben so manche revolutionäre Dinge in Gang gesetzt. Sie haben z. B. zwei Frauen in die Diözesanleitung berufen. Das ist nicht das Übliche, wenn ich das so sagen darf. Wetter: Ich sehe darin gar keine revolutionäre Tat. Ich glaube, die Zeit ist einfach reif gewesen, Frauen auch zu solchen Leitungsaufgaben auf Bistumsebene heranzuziehen. Das sind ja auch wirklich Aufgaben, die von Laien wahrgenommen werden können. Deshalb ging es da auch nicht um solche Dinge wie Frauenquote, sondern es ging darum, Personen zu finden, die im Leben der Kirche stehen und geeignet sind, diese Aufgaben zu übernehmen. Flemmer: Sie haben das sehr selbstverständlich so gemacht. Aber nicht überall in der Weltkirche ist das so üblich, wie man eben auch sagen muss. Wenn immer wieder darüber geredet wird, ob es eigentlich auch Ministrantinnen geben darf, dann stellt sich natürlich auch die Frage, ob es in den Diözesanleitungen ebenfalls Frauen geben darf. Wetter: Ja, warum nicht? Ich habe selbst keine Schwierigkeiten damit gehabt. Ich muss sagen, dass auch meine Mitarbeiter im Ordinariat, also das Domkapitel und die Ordinariatsräte, die ich natürlich vorher befragt habe, damit überhaupt kein Problem hatten. Das ging also bei uns ohne irgendeine Besonderheit über die Bühne. Flemmer: Das funktioniert ja wohl auch erfolgreich. Wetter: Ja, selbstverständlich. Sie bringen auch immer ihre besonderen Gesichtspunkte ein. Das ist eine ganz spannungsfreie Atmosphäre. Flemmer: Frauen in der Kirche, das ist ja ein Riesenthema, das aber so mancher nicht mehr hören kann - ich gelegentlich auch nicht mehr, wie ich gestehen muss. Aber natürlich wird darüber diskutiert und es gibt auch immer wieder Ratschläge an die Hierarchie, wie sie das zu machen hätte. Es heißt auch, die Frauen seien unterprivilegiert in der Kirche. Der Erzbischof von München und Freising scheint da keine Probleme zu haben. Wetter: Damit habe ich keine Probleme, wahrhaftig nicht. Ich bekomme in der Tat viele Ratschläge, von den verschiedensten Seiten. Aber am Schluss stehe ich dann doch immer wieder da und muss mich entscheiden. Ich bin dankbar dafür, dass ich gute Ratgeber habe, aber am Schluss muss ich entscheiden und dafür jeweils gerade stehen. Flemmer: Priesterlicher Dienst bedeutet ja auch, dass man gelegentlich mit seiner eigenen Meinung vorsichtig zurückhalten muss, dass man gelegentlich aber auch ein klares Wort sprechen muss. Dies haben Sie immer wieder getan. Manche haben dann gefragt, warum Sie sich so weit aus dem Fenster lehnen. Damit meine ich solche Themen wie Schwangerschaftsabbruch und Schutz des Lebens. Denn dabei haben Sie ja nicht mit deutlichen Worten gespart und, egal wie sozusagen die Weltmeinung war, Ihren Dienst getan. Ist das richtig? Wetter: Schauen Sie, wir haben als Zeugen Christi für das Evangelium einzustehen und unseren Kopf dafür hinzuhalten. Wenn es um so wichtige Dinge geht, bei denen der Glaube berührt wird oder um die Frage des Lebens, denn da geht es um Gottes Gebot, muss man gerade stehen: ob man das hören will oder nicht. Schon Paulus hat seinen Schülern Titus und Timoteus eingeprägt, nicht umzufallen und das Evangelium unverkürzt und klar und ohne Wenn und Aber zu verkünden. Das ist die Aufgabe eines Bischofs. Und ich versuche das eben auch so zu tun. Ich versuche das selbstverständlich ohne unnötige Schärfen so zu tun. Aber in der Klarheit soll kein Zweifel bestehen. Flemmer: Bei dieser Frage ging es ja nicht nur um das ungeborene Leben, sondern auch um die Verfügbarkeit von Leben überhaupt. Die Grenzen hin zur Euthanasie sind ja auch aufgeweicht worden. Die Diskussion, "müssen wir die Alten alle ertragen?", haben wir ja in diesem Lande eben auch immer wieder erlebt und im Dritten Reich wirklich schmerzhaft erleben müssen. Vielleicht ist aus dieser Zeit ja auch noch ein wenig Sensibilität übrig geblieben. Aber auch hier war immer wieder ein deutliches Wort Ihrerseits nötig. Wetter: Man muss hier ganz klar Farbe bekennen. Ich erinnere mich an einen Besuch in Moskau im Jahr 1983. Dort sagte mir ein Deutscher, der dort schon seit zehn Jahren für eine deutsche Firma arbeitete und mit einer Deutsch-Russin verheiratet war: "Sie machen sich keine Vorstellung, wie wenig hier ein Menschenleben gilt!" Dies hatte eben mit dem atheistisch-kommunistischen System zu tun. Wir müssen daher schauen, dass wir nicht auch auf diese Fährte kommen, dass nicht plötzlich der Artikel 1 unseres Grundgesetzes, "Die Würde des Menschen ist unantastbar", uminterpretiert wird in dem Sinne, dass gesagt wird: Hier könnte man doch auch Notlagen geltend machen und muss daher an der Unantastbarkeit nicht mehr festhalten. Das ist eine gefährliche Entwicklung und hier heißt es, fest zu stehen und nicht nachzugeben. Flemmer: Wenn Sie nach Rom schauen, was gefällt Ihnen da besonders? Haben Sie gelegentlich auch Schwierigkeiten mit den römischen Maßgaben? Oder sind Sie da sehr zuversichtlich? Wetter: Wenn Sie Rom so allgemein ansprechen, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Rom selbstverständlich auch eine sehr komplexe Wirklichkeit darstellt. Flemmer: Es kommen eben aus Rom von Zeit zu Zeit auch Verordnungen, Schreiben usw., die... Wetter: Rom muss immer so sprechen, dass das für die ganze Welt stimmt. Da kann es natürlich manchmal mit Kirchen in einem bestimmten Land auch irgendwelche Spannungen geben. Aber darüber redet man dann. Ich sehe jedenfalls nicht ein, dass man bei jeder Gelegenheit sofort zu klagen oder zu schimpfen anfangen muss, dass man immer sofort das Kriegsbeil ausgraben muss. Nein, man geht hin und redet miteinander. Ich finde nämlich in Rom jedes Mal ganz verständige Gesprächspartner. Der Dialog wird ja überall in der Welt groß geschrieben: Auch in der Kirche muss der Dialog gepflegt werden. Wenn daher irgendwelche Dinge aus Rom kommen, die schwer verständlich sind, dann redet man eben darüber miteinander. Flemmer: Gelegentlich hat man ja den Eindruck, dass in Deutschland sozusagen ständig vom Niedergang die Rede ist. Man spricht nur noch davon, wie schwer es die Kirchen haben und dass sie sich vermutlich bald ganz aus der Öffentlichkeit verabschieden müssen, weil sie immer weniger Einfluss hätten usw. Auch gebe es kaum noch Priesternachwuchs oder neue Ordensberufungen. Wenn man jedoch auf die Weltkirche schaut, dann sieht das alles ganz anders aus. Wetter: In der Weltkirche wachsen die Priesterberufe und die Ordensberufungen. Bei uns gehen sie zurück. Wir haben nun einmal zusammen mit einigen anderen Industrieländern diese besondere Situation, in der der Säkularismus so stark geworden ist, dass kirchliche Lebensordnung und zivile Lebensordnung auseinander driften. Das ist die Spannung, die wir hier bei uns erfahren. Aber man kann nicht sagen, bei uns würde alles zurückgehen. Schauen Sie, ich habe vor kurzem wieder neun ständige Diakone geweiht. Ich habe bei diesem Anlass auch gesagt, dass in den 20 Jahren, in denen ich jetzt hier in München bin, sich die Zahl unserer hauptberuflichen, ständigen Diakone verdreifacht hat. Es gibt also auch bei uns Bereiche, in denen etwas am Wachsen ist. Wenn gesagt wird, die Kirche hätte die Arbeiter verloren, die Jugend, die Kinder, die Akademiker, die Frauen verloren, dann müssten ja unsere Kirchen absolut leer sein, dann wäre das wirklich das Ende. Aber das stimmt ja nicht. Schauen Sie einmal an Festtagen in unsere Kirchen: Die sind voll, übervoll sogar! Flemmer: Aber es gibt ja auch nicht mehr fünf Gottesdienste am Sonntag, sondern wesentlich weniger. Dies auch deshalb, weil es weniger Priester gibt. Wetter: Die Zahl der Gottesdienste hat sich nicht so sehr verringert. Aber die Zahl der regelmäßigen Gottesdienstbesucher ist tatsächlich zurückgegangen. In manchen Bereichen ist sie sogar ziemlich stark zurückgegangen. Aber man darf diese regelmäßigen Gottesdienstbesucher am Sonntag nicht als Maßstab nehmen für die Menschen, die noch mit der Kirche leben wollen und auf weite Strecken hin auch tatsächlich mit ihr leben. Flemmer: Dies bedeutet aber auch Veränderungen. Veränderungen könnte es eben auch im Bereich der Laien geben. Sie haben die Diakone bereits angesprochen: Da sind ja eben auch verheiratete Männer mit dabei. Und Sie haben mehr Laien in der Diözesanleitung. Heißt das, dass es durchaus denkbar ist, dass Laien mehr Aufgaben übernehmen können als bisher? Wetter: Früher gab es in der Seelsorge nur die Priester: Sie haben alles gemacht. Es ist gut, wenn hier Laien mit einsteigen. Bloß muss man eine klare Linie ziehen bei dem, was dem Priester als Priester zukommt und was nicht delegierbar ist. Das ist die Feier der Sakramente, vor allem die Eucharistiefeier, die Verkündigung des Wortes Gottes in der Eucharistiefeier, das ist die Leitung der Gemeinde, das ist das Hirtenamt. Das sind Dinge, die dem Priester zukommen und die nicht delegierbar sind. Man kann dabei helfen, aber die eigentliche Aufgabe des Priester ist nicht delegierbar. Flemmer: Wie spielen solchen Fragen eigentlich in das Verhältnis zu anderen christlichen Kirchen hinein? Ich weiß, dass Sie auch häufig in den Osten gefahren sind und dort die Gespräche mit der Orthodoxie gepflegt haben. Sie haben auch ein sehr gutes Verhältnis zum evangelischen Landesbischof. Und trotzdem scheint es schwierig zu sein im Zusammengehen der Christen. Wetter: In den letzten Jahrzehnten ist schon sehr viel erreicht worden. Vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist das so. Wir kommen jetzt aber an einen Punkt, wo es um die Fragen der Glaubenswahrheiten geht: Hier wird der Dialog schwieriger. Meine Marschroute ist hierbei Folgende: Wir müssen uns gegenseitig achten und keiner darf vom anderen etwas erwarten, was gegen seine Glaubensüberzeugung steht. Ich habe nämlich in meinen 35 Jahren als Bischof die Erfahrung gemacht, dass dort, wo die Partner gemäß dieser Regeln miteinander arbeiten, am meisten zu erreichen ist. Glaubenswahrheiten sind nun einmal kein Verhandlungsgegenstand. Ich kann über die Wahrheit keine Verhandlungen führen: Die Wahrheit ist nicht verhandelbar, sie ist zu bezeugen! Flemmer: Dies heißt aber womöglich, dass es nie zu einer Einheit der Christen kommen könnte. Was müsste geschehen, dass dies dennoch eines Tages so sein wird? Wetter: Es muss im Dialog vorangeschritten werden. Der Papst wird ja auch nicht müde, immer wieder den Dialog zu fordern. Man braucht den Dialog, damit man sich gegenseitig besser kennen lernt, damit man sich gegenseitig besser verstehen lernt und damit man auch die Gründe versteht, warum man so ist und nicht anders. Warum soll es nicht eines Tages auch einmal Schritte geben, die uns dann auch im Bereich des Glaubens tatsächlich zueinander führen? Diese Einheit wird ja nicht von uns Menschen gemacht. Politiker können miteinander verhandeln und eine Pakt schließen. Die Einheit der Kirche ist eine Einheit des Glaubens, der nicht verfügbar ist, eine Einheit, die eine Einheit in Christus ist. Der Weg zur vollen Einheit ist also der Weg über Christus und seinen Geist. Flemmer: Aber die Menschen dürfen schon auch ein bisschen was dazu tun. Wetter: Wir müssen uns dem Geist Gottes öffnen. Und hier haben wir uns ja auch schon seit Jahren geöffnet und Schritte aufeinander zu getan. Auf diesem Weg müssen wir nun weiterschreiten: Dabei müssen wir aber immer wissen, dass wir uns hier von Gott und seinem Geist führen lassen müssen und das nicht selbst bestimmen können. Flemmer: Aber hier gibt es ja sogar unterschiedliche Meinungen im deutschen Episkopat. Wenn man z. B. auf den ökumenischen Kirchentag blickt, dann hörte man dort positive Stimmen, aber auch kritische Stimmen. Wetter: Wenn Sie sich diesen Kirchentag ansehen: Das ist ein sehr buntes Mixtum gewesen. Je nachdem, wie man ihn erlebt hat, kann man dieses oder eben auch ein anderes Urteil fällen. Es kommt noch eine weitere Beobachtung hinzu: Eigentlich hat es nämlich sogar zwei Kirchentage gegeben. Das war der Kirchentag, der in Berlin stattgefunden hat, und der Kirchentag, der in den Medien transportiert worden ist. Die Journalisten holten sich einfach nur bestimmte Dinge heraus und transportierten sie in die Öffentlichkeit. Diejenigen, die nicht in Berlin waren, bekommen jedoch über diese Berichte von einzelnen Vorgängen, die in der Tat so stattgefunden haben, ein Bild des Kirchentages, das das Ganze des Kirchentages nicht repräsentiert. Deswegen ist es ja auch so schwer, ein Urteil zu fällen über den Kirchentag. Über einzelne Vorkommnisse kann man sehr wohl urteilen, aber über den Kirchentag insgesamt ein zusammenfassendes Urteil zu fällen, ist sehr schwer. Flemmer: Sie sind nun seit 50 Jahren Priester: Das sind 50 Jahre, auf die man zurückschauen kann. Wenn Sie diese Jahre so an sich vorbeiziehen lassen, würden Sie dann sagen, dass eigentlich alles richtig gewesen ist, dass Sie richtig geführt worden sind? Sie haben ja, wie es scheint, ein unglaubliches Gottvertrauen darin, dass schon alles gut gehen wird. Sie sind nämlich ein Mensch, der immer eher das Positive sieht als zu klagen und zu mäkeln. Wetter: Ich bin angetreten zu dienen, ich bin dem Ruf Christi gefolgt. Ich habe bei der Priesterweihe "Adsum!" gesagt, also "Hier bin ich!" Und ich habe diesen Weg durchzuhalten versucht. Inwieweit mir das gelungen ist, weiß ich nicht, denn ich kann nicht Richter über mich selbst sein. Darüber müssen also andere richten. Letztlich richtet mich aber ohnehin der Herr. Der heilige Paulus sagte ja bereits seinen Kritikern gegenüber: "Der mich richtet, ist der Herr!" Was dabei also herauskommt, weiß ich nicht. Ich habe sicherlich auch Fehler gemacht, selbstverständlich. Flemmer: Aber man kann ja im Rückblick doch zufrieden oder unzufrieden sein. Wetter: Ich bin ganz einfach dankbar für diese 50 Jahre. Als unser Heiliger Vater sein 50. Priesterjubiläum feierte, hat er aus diesem Anlass ein kleines Büchlein herausgegeben und darin diese 50 Jahre reflektiert. Diesem Büchlein hat er den Titel gegeben "Dono e mistero", also "Geschenk und Geheimnis". Ich kann über meine 50 Jahre genau das Gleiche schreiben. Ich fühle mich durch diese 50 Jahre reich beschenkt. Ich habe gearbeitet, habe versucht, meine Pflicht zu tun: manchmal auch bis an die Grenzen des Möglichen. Ich habe selbstverständlich auch Durststrecken erleben müssen, die ich aber im Nachhinein nicht missen möchte. Denn bei solchen Durststrecken oder auch bei Enttäuschungen nimmt einem Gott manchmal etwas aus der Hand, um einen in die Tiefe zu führen. Ich möchte daher diese Erfahrungen in meinem Leben nicht missen. Ich bin heute sogar dankbar dafür. Ich kann daher nur sagen, ich danke dem Herrgott für diese 50 Jahre: Sie sind ein Geheimnis, ein Geheimnis, weil das alles aus seiner liebenden Hand gekommen ist. Und sie sind ein großes Geschenk. Flemmer: Gab es in diesen 50 Jahren Entscheidungen oder auch eine bestimmte Entscheidung, die Ihnen furchtbar schwer gefallen ist? Wetter: Ich habe viele Entscheidungen zu fällen gehabt. Ich habe sie mir in Anbetracht ihres Gewichtes nie leicht gemacht. Aber ich möchte hier auch gar keine einzelnen Entscheidungen herausstellen, die mir besonders schwer gefallen sind. Sie müssen ja nur einmal bedenken, was alleine das für eine große Entscheidung ist, Menschen zur Priesterweihe zuzulassen. Flemmer: Das sind Lebensentscheidungen. Wetter: Ich sage nämlich nicht einfach mit geschlossenen Augen ja und Amen. Ich höre mir diejenigen an, die die betreffenden Menschen begleitet haben, die sie kennen. Ich spreche mit ihnen selbst, studiere deren Akten und am Schluss muss ich die Entscheidung fällen. Ich kann diese Entscheidung an keinen anderen delegieren. Das sind doch jedes Mal Entscheidungen, die in ein Leben eingreifen. Flemmer: Und Entscheidungen, die jedes Jahr neu gefällt werden müssen. Wetter: Ja, jedes Jahr und bei jedem Einzelnen. Flemmer: Aber es gibt in Ihrem Amt sicherlich nicht nur schwere Entscheidungen, sondern es gibt sicherlich auch sehr viele schöne und befriedigende Entscheidungen, sonst würden Sie heute nicht so fröhlich vor uns sitzen. Wetter: Ich habe auch in der Tat sehr viel Schönes erlebt. Wenn ich aus diesen 20 Jahren hier in München gerade mal ein paar dieser Höhepunkte nennen darf: Ein solcher Höhepunkt war ganz sicher der erste Papstbesuch, den ich in München erlebt habe: Dabei geschah ja auch die Seligsprechung von Pater Rupert Mayer. Wenige Jahre später, im Jahr 1989, durfte ich das 1250. Jubiläum unserer Bistumsgründung erleben. Es ist doch wunderschön, wenn man einmal auf eine solche Geschichte des Bistums zurückschauen kann. 1994 gab es dann das Domjubiläum: 500 Jahre Kirchweihe der Frauenkirche. Dann kam das Heilige Jahr: Das war ja voll von Höhepunkten. Ich habe also wirklich viele, viele Höhepunkte erleben dürfen. Ich schaue jedoch nicht nur auf die Höhepunkte, sondern ich schaue auch auf die tägliche Arbeit. Denn das eigentliche Leben vollzieht sich ja im Tagesgeschehen. Auch dort erlebe ich immer wieder viel Gutes und Schönes, sodass ich mit Dank zurückschauen kann auf diese 50 Jahre. Flemmer: Dann darf ich Ihnen abschließend noch viele schöne Erlebnisse, viele gute Entscheidungen wünschen. Herzlichen Dank für dieses Gespräch und Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, auch herzlichen Dank fürs Zuschauen und das Zuhören. |
#191 gggggggg12.06.2006 - 22:17 |
Verräter und Heilsbringer? Bemerkungen zum «Evangelium des Judas» Seit längerem schon ist bekannt, dass ein Schriftstück aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert existiert, das als «Evangelium des Judas» gilt. Derzeit wird eine wissenschaftliche Edition des Fundes vorbereitet. Bisweilen ist von einer «Sensation» die Rede. - Was aber lässt sich, vor der Veröffentlichung des Textes, tatsächlich sagen? Es sei ein «Jahrtausend-Fund», eine «religionsgeschichtliche Sensation», weswegen man sich darauf einstellen müsse, demnächst «den originalen Text einer uralten &139;Gegenbibel&155; kaufen zu können», hiess es vor einiger Zeit in einem deutschen Nachrichtenmagazin - nicht in dem aus Hamburg, sondern im «Focus» aus München. Gemeint war eine alte Handschrift, die der angesehene Genfer Koptologe Rodolphe Kasser für eine Erstedition und eine französische Übersetzung vorbereitet hatte und die im Besitz der Basler Maecenas-Stiftung ist. Dabei handelt es sich um einen Kodex, der vor einem Vierteljahrhundert in Ägypten gefunden wurde und dessen Existenz schon länger bekannt war, da als dubios eingestufte Antikenhändler ihn seit Jahren zum Kauf angeboten hatten. Als die Basler Stiftung ihn erwarb, war der Kodex durch unsachgemässe Behandlung bereits in einem deplorablen Zustand, weswegen er erst einmal einer Restauration unterzogen wurde. Dafür muss man der Stiftung, die zum Zwecke der «Bewahrung und Erforschung antiker Kunst und Kultur» 1994 gegründet worden ist, dankbar sein. Identifikation mit dem Bösen? Der Kodex enthält nach Informationen von Kasser drei Traktate auf 31 beidseitig beschriebenen Papyrusseiten, wohl aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., in sahidischer Sprache, also in einem koptischen Idiom. Zwei Traktate stellen Varianten von Texten dar, die aus der koptisch-gnostischen Bibliothek des ägyptischen Nag Hammadi bekannt sind. Der dritte jedoch, der etwa die Hälfte der Handschrift umfasst, ist ein bis anhin nicht vorhandenes apokryphes Evangelium. Die letzte Zeile des Manuskripts und andere Hinweise legen nahe, dass es ein «Evangelium des Judas» ist. Ein Evangelium solchen Namens wird freilich in der Ketzerpolemik der Alten Kirche seit dem Ende des 2. Jahrhunderts erwähnt. Das legt die Vermutung nahe, dass das «Judas-Evangelium», wenn es denn eine Version jenes altkirchlich bekannten «häretischen» Evangeliums ist, auf deutlich älterer Überlieferung fusst, dass es womöglich vor 180 n. Chr. in griechischer Sprache existierte. Sicher ist das jedoch noch nicht. Dieser Fund erweitert in jedem Fall nicht nur die Basis der Erforschung jener frühchristlichen «Dissidenten» namens Gnostiker. Er bestätigt zudem, dass es eine Gruppe gab unter ihnen, die sich auch mit perhorresziertem «Personal» aus der Bibel identifizierte. Zwar gibt es zahlreiche Texte, die sich auf Jünger Jesu oder andere Sympathisanten in seinem Umfeld beziehen. Aber mit «Judas», dem dieses Evangelium zugeschrieben wird, ist der «Verräter» gemeint, Judas Ischariot. Und genau deswegen ist dieser Fund natürlich auch das Objekt anderer als rein wissenschaftlicher Begierde. Das Magazin «Focus» hat sie schon formuliert: Nun könne man «die wahren Motive des Jesus-Verräters enträtseln». Das ist barer Unsinn, da Judas Ischariot, wenn er denn nicht überhaupt eine fiktive Gestalt ist, nicht mehr lebte, als dieses Evangelium entstand. Inwieweit die PR-Strategie der Maecenas-Stiftung solchen Sensationsunfug in Kauf nimmt, entzieht sich meiner Kenntnis. Das «Evangelium des Judas» wird in der altkirchlichen antignostischen Polemik im Zusammenhang mit einer Sekte erwähnt, die neben dem Brudermörder Kain eben auch den Verräter Jesu heilig hielt. Über die Motive und Intentionen einer solchen Identifizierung mit biblischen Figuren dieser Schwärze kann man spekulieren. Welche theologische Strategie gegen die kirchliche «Orthodoxie» aber eine Schrift einschlägt, die nun ausgerechnet dem Schurken im Evangelium schlechthin, dem Verräter des Erlösers, ein Evangelium zuschreibt, könnte der Textfund möglicherweise erhellen. Was man dazu aus der altkirchlichen Überlieferung bis jetzt weiss, ist jedenfalls, dass der Verräter deswegen verehrt worden sei, weil er das «Geheimnis» kannte, dass Jesus am Kreuz sterben musste, damit sich die Erlösung vollziehe. Dieses höhere Wissen - gnosis - habe die als übel angesehene Tat des Judas motiviert, so dass sie recht besehen eine Wohltat war, die dem Menschengeschlecht erwiesen wurde. Denn Judas lieferte Jesus aus, weil gerade die finsteren Kräfte (!) verhindern wollten, dass er stirbt - um so das Heil zu behindern oder wenigstens zu verzögern. Variation gnostischer Christologie Inwieweit das «Judas-Evangelium» auch auf dieser Linie argumentiert, wird man nach der Edition besser beurteilen können. Doch die schon bekannt gewordene letzte Seite der Schrift weist eher auf eine weniger dialektische Interpretation des Verrates hin. Gleichwohl legt auch ein Beitrag, den Rodolphe Kasser auf einem Koptologie- Kongress im Juli vergangenen Jahres vorgetragen hat, nahe, dass es im «Judas-Evangelium» um das «Geheimnis des Verrats» gehe. Judas wird in dem Text von Jesus auf seine Rolle als derjenige vorbereitet, der seitens seiner Mitjünger übel geschmäht werden wird, schliesslich aber über allen stehen werde: Er sei der, der den physischen Menschen Jesus opfere, welcher den wahren, geistlichen Christus wie ein Kleid trage. Das wäre eine Variation bekannter gnostischer Christologie, die Doketismus genannt wird, weil der irdische, leidensfähige Leib des Erlösers nur ein «Scheinleib» gewesen sei. Judas aber wäre ein «geheimer Freund Jesu» (R. Kasser) gewesen, der von diesem davon überzeugt werden musste, den Verrat zu begehen! Und offenbar verkehrt der Text auch, wie die schon bekannte letzte Seite des Kodexes andeutet, die Rolle zwischen den «Oberen» und Judas. Nicht Judas ergreift die Initiative zum Verrat, sondern sie tun es; sie sagen ihm, er beweise sich als Jünger Jesu gerade durch die Auslieferung seines Herrn, auch wenn er «an diesem Ort» dafür als «böse» gelte. Im Streit zwischen der «Orthodoxie» und den «Gnostikern» um die Deutung des Todes Jesu geht es im Kern immer auch um das Martyrium der Christen. Die Interpretation des Verräters Judas als des wahren Jüngers Jesu spiegelt eine Auffassung wider, die Christi Tod erst aufgrund geheimer Belehrung als etwas begreift, das notwendig ist. Da dieser Tod nur die äussere, menschliche Seite betreffe, nicht den göttlichen Kern, ermöglicht diese Position auch eine Einwilligung in ein eigenes «Blutzeugnis». Eine solche Einwilligung überwindet ein gewisses Zögern hinsichtlich des Martyriums, das auch auf dem Hintergrund dessen zu würdigen, dass in der altkirchlichen Orthodoxie manches Martyrium geradezu erstrebt, inszeniert und gefeiert wurde. Wir werden in Ruhe abwarten können, was das «Judas-Evangelium» zu diesem Diskurs und zu anderen Themen noch Erhellendes beitragen kann. Sensationelles wird es kaum sein. Dafür erinnert nämlich das, was bereits bekannt geworden ist aus diesem Schriftstück, zu sehr an das, was wir ohnehin schon wissen konnten über jene Dissidenten des sich orthodox verstehenden Christentums. Aber eben: Warten wir die Edition einfach einmal ab. Ekkehard W. Stegemann Der Autor lehrt an der Theologischen Fakultät der Universität Basel als Ordinarius für Neues Testament. |
#190 vvvvvvv12.06.2006 - 22:09 |
Dies ist die HTML-Version der Datei http://www.presse.uni-augsburg.de/unipress/up20052-4/artikel_52.pdf. G o o g l e erzeugt beim Web-Durchgang automatische HTML-Versionen von Dokumenten. Um einen Link oder ein Bookmark zu dieser Seite herzustellen, benutzen Sie bitte die folgende URL: http://www.google.com/search?q=cache:yZd8PfSEfiEJ:ww w.presse.uni-augsburg.de/unipress/up20052-4/artikel_52.pdf+sr.+aurelia&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=81 Google steht zu den Verfassern dieser Seite in keiner Beziehung. Diese Suchbegriffe wurden hervorgehoben: sr aurelia Page 1 105 2 4 / O k t o b e r 2 0 0 5 B e r i c h t e Ordnungen und Prinzipien zu eröffnen. Die Aktualität solcher Systeme zeigt sich daran, dass sie neuerdings wieder Zuspruch finden in der Ethik der life scien- ces, die Entscheidungen über nichts weniger als das menschli- che Leben zum Gegenstand hat. Prof. Dr. Wolfgang Palaver (Christliche Gesellschaftslehre, Universität Innsbruck) steuerte eine kritische Auseinandersetzung mit der dezisionistischen Grund- idee bei, die besagt, dass Ent- scheidungen auch ohne Rekurs auf vorgängige Normen, Prinzi- pien und Ziele aus sich selbst heraus legitimiert sein können, wenn sie die Komplexität einer Entscheidungssituation reduzie- ren. Dies bleibe trotz der Gewalt- exzesse, in die dezisionistische Entscheidungskulturen nachweis- lich führen, von verführerischem Charme, meinte Palaver. Gegen Ende des Workshops rich- tete sich der Blick nochmals auf das Religiöse: Die Dominikanerin Sr. Aurelia Spendel (Augsburg) berichtete über die Entschei- dungshilfen Geistlicher Beglei- tung in der heutigen Zeit und Prof. Dr. Johann Ev. Hafner (Re- ligionswissenschaft, Universität Potsdam) sprach über die Bedeu- tung von Gebeten und religiösen Ritualen im Kontext von Ent- scheidungen. Alternative zum Kaffeesatzlesen Das inspirierende Panoptikum von Entscheidungsanalysen und Entscheidungshilfeverfahren, das die Referate und die Gespräche dieses Workshops aufgeblättert haben, will Rupert Scheule in einem Band allgemein zugänglich machen. Wer sich mit einer Ent- scheidung quält und drauf und dran ist, Rat beim Astrologen oder einem anderen Kaffeesatz- leser zu suchen, sollte vielleicht vorher dann doch einen Blick in dieses Buch werfen. Es könnte sich lohnen. es das Glück als anzustrebendes Ziel. Auch der Grundsatz, das Gu- te zu tun und das Böse zu lassen, ist lange bekannt. Was aber soll man tun, wenn Zweifel aufkom- men, was genau das Gute jetzt ist, wenn gleich viele Gründe für und gegen eine Handlung sprechen bzw. für zwei unterschiedliche Handlungen, von denen nur eine gewählt werden kann? Risikovermeidung und Moral Mit diesen Zweifelsfragen befass- te sich Prof. Dr. Rudolf Schüßler, Ordinarius für Philosophie Uni- versität Bayreuth: Im Mittelalter galt es, auf der sicheren Seite zu bleiben und das Risiko einer Tod- sünde zu vermeiden. Auch heute gilt die Risikovermeidung als ein wichtiger Argumentationsstrang. Die einschlägige Maximin-Re- gel lautet: Tu das, was im schlimmsten Fall den geringsten Schaden verursacht. Was das al- lerdings genau ist, bleibt letztlich eine Gewissensfrage und damit Gegenstand der Moral. Hier sol- len Moralsysteme Hilfestellung geben, die Prof. Dr. Klaus Arntz (Ordinarius für Moraltheologie, Universität Augsburg) als Managementsysteme zur Lösung individueller Gewissenszweifel bezeichnete. Den verschiedenen Moralsystemen geht es darum, Freiheitsspielräume im Umgang mit unverrückbaren, objektiven zwischen Gehorsam und herme- neutischer Eigenverantwortung gelten. Verstand versus Gefühl Auch die Frage, ob man sich bei Entscheidungen von der rationa- len Ebene des Verstandes oder von verstandesmäßig nicht zu- gänglichen Ebenen der Gefühle und Intuitionen leiten lassen sollte, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Entscheidungslehren. Während die antike Philosophie sich über- wiegend der Mittel der Vernunft als Entscheidungshilfen bediente, wie der Philologe PD Dr. Peter Roth (Augsburg/Regensburg) ausführte, stehen bei Ignatius von Loyola Intuition und Gefühlsre- gungen an erster Stelle. Erst wenn sich durch sie keine klare Ent- scheidung ergibt, solle der Ver- stand zu Hilfe genommen werden. Die Rational-Choice-Theorie, die Rupert Scheule vorstellte, setzt dagegen auf nüchtern-verstandes- mäßiges Abschätzen des erwarte- ten Nutzens einer Entscheidung. Das Glück und Gut und Böse Welche weiteren Kriterien wer- den, neben der Nutzenmaximie- rung in der Rational-Choice- Theorie, als Orientierungshilfen für Entscheidungen genannt? Bei den griechischen Philosophen war 104 B e r i c h t e Mit Entscheidungshilfe Inter- disziplinär" hatte Dr. Rupert Scheule, Leiter des DFG-Pro- jekts Entscheidungslehre christlicher Ethik an der Ka- tholisch-Theologischen Fakul- tät, einen Workshop überschrie- ben, an dem sich Anfang Fe- bruar 2005 Fachleute aus den Bereichen Theologie, Philoso- phie, Religionswissenschaft/Ju- daistik, Philologie und Spiritua- lität beteiligten, um sich über unterschiedliche Konzepte der Entscheidungstheorie und Ent- scheidungshilfe auszutauschen. Als Workshop konzipiert sollte die Tagung den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein offenes Fo- rum dafür bieten, die eigenen Erkenntnisse vorzustellen, sich durch die Beiträge und Anre- gungen der anderen bereichern und zum weiteren Nachdenken inspirieren zu lassen. Warum es heute überhaupt so schwierig ist, sich zu entscheiden? Dass zunehmende Pluralität und zunehmende Komplexität hier eine zentrale Rolle spielen, steht außer Frage: zu viele Alternativen zu viele Ziele zu viele Unsi- cherheiten. Diese Komplexität, so der Theo- loge und Sozialethiker Prof. Dr. Thomas Hausmanninger (Univer- sität Augsburg), führt dazu, dass die Wirklichkeit nicht mehr als Ganze erfasst werden kann, son- dern zur subjektiven und partiel- len Eigenkonstruktion gerinnt. Es gibt keine Sprache mehr, die der Universität Potsdam) setzten sich mit der Verbindlichkeit reli- giöser Vorschriften auseinander. Das jüdisch-talmudische Religions- gesetz, die Halakha, regelt alle Alltagsentscheidungen eines or- thodoxen Juden in kasuistischer Weise. Das Besondere an der Halakha ist jedoch ihre Elastizi- tät, wie Kosman es formulierte. Die von außen wahrgenommene Starrheit der Regeln löst sich in der Praxis insofern auf, als die in der Halakha beschriebenen An- weisungen kaum je dem aktuellen Fall exakt entsprechen und folg- lich immer angepasst werden müssen. Eine solche Exegese und Interpretation ist zwar zunächst Aufgabe der Rabbiner, muss aber im konkreten Fall von jedem Ein- zelnen autonom vorgenommen werden. Somit kann die Halakha als Beispiel für einen Mittelweg zwischen den verschiedenen Ra- tionalitäten vermitteln könnte. Prof. Dr. Markus Vogt, Ordinarius für Christliche Sozialethik mit Schwerpunkt Umweltethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benediktbeuren, hält eine umfassende Folgenabschät- zung aufgrund der Komplexität kaum mehr für möglich. Wird da- mit die von Max Weber so hoch- gelobte Verantwortungsethik (im Sinne von Folgenabschätzung) obsolet? Das Gegenmodell, die reine Gesinnungsethik (im Sinne von Prinzipienentscheidungen), dürfte freilich auch nicht in der Lage sein, die Komplexität ange- messen zu reduzieren, meint Vogt. Eigenverantwortung versus Gehorsam Diese Spannung zwischen Verant- wortungs- und Gesinnungsethik wie auch zwischen Eigenverant- wortung und Gehorsam bestimmt freilich die gesamte europäische Ethosgeschichte, wie u. a. auch der Beitrag von P. Johannes Schaber OSB (Ottobeuren) zeigte. Vor dem Hintergrund der Regel des Hl. Benedikt fragte Schaber, inwiefern der Mönch hier tatsäch- lich seine (Eigen-)Verantwortung beim Eintritt ins Kloster vollstän- dig an den Abt abgibt, inwiefern er sich ihm und der Ordensregel in absolutem Gehorsam unter- wirft. Auch Prof. Dr. Admiel Kosman und Dr. Reimund Leicht (beide Institut für Religionswissenschaft Zwischen Pest und Cholera AUS EINEM WORKSHOP ÜBER ENTSCHEIDUNGSHILFEN VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART BERICHTET SELMA RIPPELBECK Entscheidungschwierigkeiten überall: Die Qual der Wahl vor den Kaffee- paletten bei Aldi Die Workshopteilnehmer (v.l.n.r) R. Scheule (Augsburg), R. Leicht (Potsdam), W. Palaver (Innsbruck), J. Schaber (Ottobeuren), A. Spendel (Augsburg), R. Schüßler (Bayreuth), A. Kosman (Ramat Gan/Potsdam), M. Vogt (Benedikt- beuren), P. Roth (Augsburg/Regensburg), K. Arntz (Augsburg). Nicht auf dem Foto: J. Hafner (Potsdam) und Th. Hausmanninger (Augsburg). |
#189 HAIL MARY09.06.2006 - 09:37 |
Hail, Mary She was there at the Cross. Yet Protestants seldom talk about the mother of Jesus at Easter, or at most other times. But they are starting to now By David Van Biema Had the Rev. Brian Maguire hit on the idea 30 years ago, he might have found himself facing some very annoyed congregants. Four hundred fifty years ago, someone professing similar notions might even have been hanged. The 35-year-old pastors brainstorm concerned a scheduling conflict on the day of the Annunciation. The holiday, which celebrates Marys learning from the angel Gabriel that she will give birth to the Messiah, always falls on March 25, precisely nine months before Christmas. But this year the 25th is also Good Friday, when Christians somberly recall that same Messiahs Crucifixion. Roman Catholicism, which traditionally observes both dates, has rules for this eventuality: Catholics worldwide will mark the Annunciation on April 4 this year. But Maguire is not Catholic; he is the pastor of Westminster Presbyterian Church in Xenia, Ohio. And in light of what he calls a beautiful, poetic opportunity, he says that rather than preach on Jesus alone this Good Friday, he will bring in Mary as well. If you have Jesus entrance and exit on the same day, Maguire explains, she should play a part in thatbecause she was the first and last disciple to reach out during his life. There is an elegance to this plan; Maguire, who attended Princeton Theological Seminary, is no theological naïf. But until quite recently, his decision to pair the gravest day on the Christian calendar with a Marian celebration would have struck most of his fellow Protestants as peculiar, if not doctrinally perverse. For roughly 300 years until the 1900s, Protestants, while granting Mary her indisputable place as the mother of Jesus, regarded any additional enthusiasm as tantamount to Mariolatry, the alleged (and allegedly nonbiblical) elevation of the Virgin to a status approaching Christs that some understood as a cause of their initial breaking with Catholicism. Even as open hostility largely abated in the U.S., some taboos prevailed. Beverly Gaventa, a professor of New Testament literature at Princeton, has portrayed Mary as the victim of a Protestant conspiracy of silence: theologically, liturgically and devotionally. Most Protestants (excluding some high-church Episcopalians) can identify with the experience of Kathleen Norris, an author who has written of her upbringing, We dragged Mary out at Christmas ... and ... packed her safely in the crèche box for the rest of the year. We ... denied [her] place in Christian tradition and were disdainful of the reverence displayed for her, so public and emotional, by Catholics. But things have begun to change, and not just among theologians. Monday, Apr. 11, 2005 "Hail, Mary" was a splendid analysis of a development in spirituality that goes profoundly beyond the goddess fad that has captured our imaginations for years [March 21]. The piety and deepest consciousness of a human being seek a feminine face, especially in a world whose cultures are saturated with patriarchy. Thank you for helping to rescue Mary from passive neglect. (The Rev.) Marvin E. Repinski Austin, Minnesota, U.S. Although I am Jewish, I have statues of Mary around my home and don\t in the least feel any conflict with religious doctrine. I regard Mary as a symbol not of religion but of ideal motherhood. Mary provides solace, unconditional acceptance and love, and a spiritual, nondenominational sanctuary from life\s madness. Judi Laing Los Angeles LATEST COVER STORY June 12, 2006 Issue Ghosts of Haditha ASIA Indonesia: Helping Hands NOTEBOOK Taiwan: Chen Under Pressure N.Korea: Emerging Market China: Goodbye, Luxury Villas Milestones Verbatim Letters GLOBAL ADVISER Mongolia: Empire Strikes Back Hotel: Family Thais Health: Gym to Go Spas: Expensive Tastes China: The Icehouse CNN.com: Top Headlines The Protestant acceptance of Mary reflects a long-held Roman Catholic feeling that God the Father also has a feminine side. It is humanity\s longing for a parent God who is not only a father but also a mother. The Marian movement among Protestants is very welcome. It represents an openness. Perhaps it will not be very long before all of humanity, including fundamentalists who terrorize in the name of religion, realize that religious faiths may have different names but they all contain essentially the same truths. Samuel J. Yap Batangas, the Philippines It was wonderful to see Mary on TIME\s cover. She is humanity\s greatest friend and intercessor but never takes or shares the place of Jesus. Discussing her role as intercessor, however, without mentioning her apparitions and the miracles associated with her at Fatima, Lourdes, Guadalupe, etc., is akin to discussing Christ without mentioning his Passion. Frank Buono New York City It seems that far too often you feature major stories about religious practices, religious politicians and religious businesses. Please, stick to real news reporting and leave the proselytizing to faith-based publications. Robert Goldware San Francisco From the Apr. 18, 2005 issue of TIME Asia Magazine Hail, Mary, Full of Grace In response to the cover story on how Protestants are embracing the mother of Jesus, new followers, Catholics and other longtime admirers of Mary wrote of the strength and solace she brings to their lives. But some readers objected, saying we were providing too much coverage of religious topics " HAIL, MARY" WAS A SPLENDID ANALYSIS of a development in spirituality that goes profoundly beyond the goddess fad that has captured our imaginations for years [March 21]. The piety and deepest consciousness of a human being seek a feminine face, especially in a world whose... "Hail, Mary" was a splendid analysis of a development in spirituality that goes profoundly beyond the goddess fad that has captured our imaginations for years [March 21]. The piety and deepest consciousness of a human being seek a feminine face, especially in a world whose cultures are saturated with patriarchy. Thank you for helping rescue Mary, a kind of biblical goddess, from passive neglect. Many of us appreciate your generous examples of Protestants, including Methodists like me, who keep opening doors of faiths that are traditional but are willing to take risks. (The Rev.) Marvin E. Repinski Austin, Minnesota, U.S. It was a pleasure to learn that Protestant faiths are changing their mind about the Virgin Mary. She is, indeed, the Mother of God. Though Mary is honored by God, she is not a goddess, and Roman Catholicism, to which I belong, does not worship Mary as a divine person. Catholics revere Mary the same as they love an elder, affectionate and powerful sister, and that is enough to give them happiness. Jacques Euzeby Marcy l\Etoile, France It was wonderful to see Mary on TIME\s cover. She is humanity\s greatest friend and intercessor but never takes or shares the place of Jesus. Discussing her role as intercessor, however, without mentioning her apparitions and the miracles associated with her at Fatima, Lourdes, Guadalupe, etc., is akin to discussing Christ without mentioning his Passion. Frank Buono New York City Yet another issue of time that made me wonder whether I have subscribed to a newsmagazine or a religious tract. It seems that far too often you feature major stories about religious practices, religious politicians and religious businesses. Please, stick to real news reporting and leave the proselytizing to faith-based publications. Robert Goldware San Francisco Although I am Jewish, I have statues of Mary around my home and don\t in the least feel any conflict with religious doctrine. I regard Mary as a symbol not of religion but of ideal motherhood. Mary provides solace, unconditional acceptance and love, and a spiritual, nondenominational sanctuary from life\s madness. Judi Laing Los Angeles The protestant acceptance of Mary reflects a long-held Roman Catholic feeling that God the Father also has a feminine side. It is humanity\s longing for a parent God who is not only a father but also a mother. The Marian movement among Protestants is very welcome. It represents an openness. Perhaps it will not be very long before all of humanity, including fundamentalists who terrorize in the name of religion, realize that religious faiths may have different names, but they all contain essentially the same truths. Samuel J. Yap Batangas, the Philippines |
#188 TEIL 208.06.2006 - 11:01 |
(Teil 2) SPRING CITY, 22. Juni 2004 (ZENIT.org). Frauen können in der Kirche zahllose Möglichkeiten des Dienstes finden, wenn sie nur die richtige Rolle annehmen. Dies meint Jennifer Ferrara, eine ehemalige lutherische Pfarrerin, die 1998 zum Katholizismus konvertiert ist. Sie erzählte die Geschichte ihrer Konversion in The Catholic Mystique: Fourteen Women Find Fulfillment in the Catholic Church (Our Sunday Visitor) (Die katholische Mystik: 14 Frauen finden in der katholischen Kirche Erfüllung) erzählt, das sie zusammen mit Patricia Sodano Ireland, einer anderen früheren lutherischen Pastorin, herausgegeben hat. Ferrara verriet ZENIT, wie Frauen in der Kirche Erfüllung finden, wenn sie verstehen, dass nur der Katholizismus die Bedeutung des Weiblichen in der Gesellschaft und in der Erlösung anerkennt. Teil 1 dieses Interviews erschien am 28. Juni. ZENIT: Welche Rolle bleibt den Frauen in der Kirche, wenn sie keine Priester sein können? Ferrara: Es ist nicht die Frage, welche Rolle Frauen bleibt, sondern es geht darum, dass Frauen ihre eigene Rolle annehmen. Es hat in der katholischen Kirche immer genug für Frauen zu tun gegeben. Denken sie daran, dass die Ordination von Frauen in den protestantischen Gemeinden eine sehr junge Entwicklung ist. Zuvor haben Frauen in diesen Konfessionen beinahe keine Rolle gespielt. Die protestantischen Kirchen sind absolut männlich. Als Lutheranerin hatte ich keine weiblichen Vorbilder für Heiligkeit, die für mich Leitbilder waren und an die ich mich um Trost wenden konnte. Obwohl viele protestantische Konfessionen Frauen weihen, erkennen sie nicht die Bedeutung des Femininen Mutter Kirche, verkörpert in Maria in Gottes Heilsplan an. Ich verstehe nicht, warum so viele Katholiken die Bedeutung der Ordensfrauen im kirchlichen Leben mit Vorbehalt betrachten, als wären sie Bürger zweiter Klasse. Sie sind unsere spirituellen Mütter. Protestanten haben den Frauen nie eine solche Rolle zuerkannt. Außerdem gibt es auch noch alle Arten von Laien-Apostolaten, Orden und Vereinigungen, denen sich Frauen anschließen können. ZENIT: Ihre Konversion in die katholische Kirche bedeutete auch, ihre frühere Rolle als Pfarrerin aufzugeben. Einige Frauen in der Kirche argumentieren jedoch damit, dass sie sich ausgeschlossen fühlen, weil sie nicht Priesterin werden können. Was würden Sie ihnen sagen? Ferrara: Ich würde zunächst sagen, dass ich ihren Zorn und ihre Frustration verstehen kann. Am Anfang war ich verbittert über die Aussicht, meine Weihe aufzugeben, um in die Kirche einzutreten. Trotzdem würde ich ihnen auch erzählen, dass mein Leben als römisch-katholische Laiengläubige, Ehefrau und Mutter einen neuen Sinn gefunden hat. Zum ersten Mal versuche ich zu hören, was die Kirche darüber zu sagen hat, wer ich bin, anstatt von der Kirche zu erwarten, sich dem anzupassen, was ich denke, dass sie sein soll. Im Allgemeinen reiben sich moderne Menschen an direkter Autorität, weil sie erwarten, dass das Außenleben einer Institution einen Dienst am psychologischen Innenleben von Individuen leisten soll. Wenn Frauen also Priester werden wollen und behaupten, Schmerz zu verspüren, weil sie nicht Priester sind, wird ganz automatisch gefolgert, dass sie Priester werden sollten. In Wahrheit aber verwenden Frauen, die auf ihrer priesterlichen Berufung bestehen und ihren Schmerz als Beweis für einen echten inneren Ruf von Gott betrachten, eine wechselnde Politik des Schmerzes und nicht die katholische Theologie, um ihre Erfahrungen zu erklären. Wenn sie sich wirklich leer machen und auf ihren eigenen Willen im Namen Gottes und der Kirche verzichten wollen, dann werden sie zahllose Möglichkeiten des Dienstes finden. ZENIT: Wie erklären Sie die Behauptung von Johannes Paul II., dass Mann und Frau nicht als identische Geschöpfe geschaffen wurden, gegenüber denen, die glauben, dass Männer und Frauen gleich und austauschbar sind? Ferrara: Ich habe herausgefunden, dass jene, die entschlossen sind, das Prinzip der Androgynität anzunehmen, nicht offen sind für die Lehren des Papstes. Trotzdem weiß der durchschnittliche Mensch instinktiv, dass Mann und Frau nicht das Selbe sind. Das gilt besonders für jene, die Kinder haben. Sie erkennen, dass Mutter und Vater, Jungen und Mädchen im Wesen unterschiedlich sind. Die Lehre von Johannes Paul II. erklärt die Wirklichkeit. Das ist es, wo ich anfange. Wenn sie Menschen dazu bringen können, die einfache Prämisse anzuerkennen, dass Männer und Frauen obwohl gleich an Würde und Bedeutung unterschiedlich sind, dann können sie beginnen darüber zu reden, was das für die Rolle bedeutet, die sie spielen. ZENIT: Was kann getan werden, um der Bewegung entgegenzutreten, die für die Frauenordination eintritt? Ferrara: Jene von uns, die sich gegen die Ordination von Frauen stellen, dürfen es sich nicht erlauben, in die Defensive gedrängt zu werden. Wir müssen uns für unsere Haltung nicht entschuldigen. Die beste Weise, der Bewegung für die Frauenweihe entgegenzutreten, ist es, die Lehre der Kirche in einem positiven Licht darzustellen. Wie heben den Stellenwert der Frauen nicht, indem wir sie überzeugen, dass sie Männer sein müssen. Obwohl Frauen für die meisten Jobs, die traditioneller Weise von Männern ausgefüllt werden, zugelassen werden können und sollen und so eine weibliche Empfindsamkeit dorthin bringen können sie nicht und werden sie niemals biologische und spirituelle Väter sein. Jene, die auf dem Gegenteil bestehen, leugnen das, was edel und heilig daran ist, Frauen und Mütter biologisch wie spirituell zu sein im Plan, mit dem Gott seine Schöpfung erlösen möchte. Die katholische Kirche ist eine der wenigen Institutionen, vielleicht die einzige, die es in der Welt noch gibt, welche die Bedeutung des Weiblichen nicht nur für das ordentliche Funktionieren der Gesellschaft, sondern auch für unser Heil anerkennt. Wir müssen bereit sein, genau das zu sagen. |
#187 FR ORDINATION08.06.2006 - 11:00 |
Ehemalige lutherische Pastorin über die Weihe von Frauen (Teil 1) SPRING CITY, 21. Juni 2004 (ZENIT.org). Jennifer Ferrara hätte früher nie gedacht, einmal zu einer Art Apologetin für das ausschließlich männliche katholische Priestertum zu werden. Genau das ist es jedoch, was aus der früheren lutherischen Pfarrerin, die zum Katholizismus konvertiert ist, geworden ist. Ferrara, die 1998 katholisch wurde, hat jüngst die Geschichte ihrer Konversion in The Catholic Mystique: Fourteen Women Find Fulfillment in the Catholic Church (Our Sunday Visitor) (Die katholische Mystik: 14 Frauen finden in der katholischen Kirche Erfüllung) erzählt, das sie zusammen mit Patricia Sodano Ireland, einer anderen früheren lutherischen Pastorin, herausgegeben hat. Ferrara vertraute ZENIT an, wie im lutherischen Seminar ihre Suche nach einer theologischen Rechtfertigung für die Weihe von Frauen schließlich ihre Meinung zum Priesteramt änderte und ihr Herz sich für die katholische Kirche öffnete. ZENIT: Wie sind Sie als frühere lutherische Pastorin zur Einsicht gekommen, dass Frauen nicht zur Priesterin geweiht werden sollen und können? Ferrara: Als ich ins Seminar eintrat, war ich eine gewöhnliche Feministin, die daran glaubte, dass Männer und Frauen im Wesentlichen gleich sind. Ich hielt es für sehr einleuchtend, dass Frauen geweiht werden sollten. Ich habe mich mit dem Thema wirklich wenig auseinandergesetzt, und wenn, dann unter dem Gesichtspunkt, dass es eine Frage der Gleichberechtigung sei. Ich war auch nicht gerade orthodox in meinen Überzeugungen. Ich hatte auf der Universität Religion studiert. Dabei habe ich zwar nicht meinen Glauben verloren, aber ein Mischmasch von häretischen Ideen angenommen. Während ich im Seminar war, wurde ich nach und nach theologisch orthodox, was in Anbetracht der Umgebung von traditionellen protestantischen Seminaren ein kleines Wunder war. Langsam begann es mir zu dämmern, dass die Weihe von Frauen eine neue Entwicklung war, die eine theologische Rechtfertigung brauchte. Ich gelangte nicht zu einer ausgereiften Verteidigung, bis ich Jahre später Pastorin in einer Pfarrei war. Zu dieser Zeit sah ich mich selbst als eine evangelische Katholikin. Evangelische Katholiken sehen das Luthertum als eine Reformbewegung innerhalb und für die eine Kirche Christi. Daher haben Lutheraner die Verantwortung, auf eine Aussöhnung mit Rom hinzuarbeiten. Die Tatsache, dass ich eine lutherische Pastorin war, brachte mich theologisch betrachtet in eine unangenehme Situation. Ich war ein Hindernis für die Aussöhnung, nach der ich trachtete. Das brachte mich dazu, einen strengen Blick auf das Thema der Weihe von Frauen zu werfen. ZENIT: Was hielt Luther selbst von der Idee von Priesterinnen? Ferrara: Obwohl Martin Luther nicht an die Weihe von Frauen glaubte, fand ich Unterstützung für diesen Gedanken in seinen Schriften. In seinen Vorlesungen über die Genesis argumentiert er, Gott habe nicht beabsichtigt, dass Männer und Frauen verschiedene Rollen haben. Die Unterscheidung zwischen den Geschlechtern ist ein Ergebnis des Sündenfalls unserer Stammeltern. Als eine Art Strafe sind die Frauen den Männern unterworfen, und daher wurde ihnen die Möglichkeit genommen, Aufgaben außerhalb des Haushalts, darunter die in der Kirche, auszuüben. Luther glaubte, dass die männliche Vorherrschaft eine Frage des Naturgesetzes sei. Als lutherische Pastorin war ich damit nicht einverstanden. Die Akzeptanz der Gleichheit zwischen den Geschlechtern durch die gesamte westliche Welt hindurch bewies das Gegenteil. Laut Luther sollte die gesellschaftliche Ordnung innerhalb der Kirche erhalten bleiben, damit wir dem Evangelium keine Schande bereiten. Ich dachte, dass die Beschränkung der Weihe auf Männer zu einer Schande in der modernen Zeit geworden war. Die Weihe von Frauen schien der beste Weg zu sein, dem Herrn hier und heute zu dienen. Als ich darüber nachzudenken begann, römisch-katholisch zu werden, stimmte ich mit der Lehre der Kirche zur Weihe von Frauen nicht überein. Ich habe auch tatsächlich darüber nachgedacht, einen Artikel zu verfassen, der umreißen sollte, welche theologischen Mängel ich an der katholischen Position feststellen konnte, was mir im Rückblick eine reine Hybris erscheint. Um mich darauf vorzubereiten, las ich die Theologie des Leibes von Johannes Paul II. Dort erkannte ich eine Sicht der Schöpfung, die alle meine feministischen Vorstellungen über Männer und Frauen stark in Frage stellte. ZENIT: Wie kam das? Ferrara: Laut Johannes Paul II. sind Männer und Frauen im Wesentlichen nicht gleich geschaffen. Das Maskuline und das Feminine sind nicht nur Attribute, sondern vielmehr ist die Funktion des Geschlechts ein grundlegender Teil einer Person. Mann und Frau drücken beide den Menschen aus, aber sie tun das auf unterschiedliche und komplementäre Art und Weise. Ob Sie es glauben oder nicht, das war eine völlig neue Idee für mich. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau liegen in der Art und Weise, wie sie Liebe für einander ausdrücken. Männer haben die aktivere Rolle in einer Beziehung: Der Ehemann ist jener, der liebt, während die Frau jene ist, die geliebt wird und im Gegenzug Liebe schenkt. Wahre Autorität wird ausgeübt durch den Dienst. Wie Johannes Paul II. sagt: Regieren heißt dienen. Wie auch immer, Männer und Frauen dienen in besonderer maskuliner und femininer Art und Weise. Im Herzen dieser Vielfalt der Rollen liegt der Unterschied zwischen Mutterschaft und Vaterschaft. Unabhängig davon, was Männer und Frauen tun, bringen sie väterliche und mütterliche Charaktereigenschaften in ihre Berufung mit ein. Das gilt genau so für jene, die das Ordensleben gewählt haben, wie für jene, die biologische Eltern werden. Das bedeutet, dass der römisch-katholische Priester nicht einfach nur eine Vaterfigur ist: Er ist ein spiritueller Vater. Nur um zu erklären, was in einer Gesellschaft nicht mehr klar ist, die vom Prinzip der Androgynität regiert wird: Mutter und Vater sind nicht austauschbar. Frauen sind keine Männer, daher können sie genauso wenig Priester sein, wie sie im physischen Sinne Vater sein können. Wenn Frauen in die Rolle der Priester schlüpfen können, dann ist das Priestertum nicht mehr eines der Vaterschaft. Um das zu verstehen, musste ich meine funktionelle Sicht des priesterlichen Dienstes aufgeben. In den meisten protestantischen Konfessionen spielt der Pastor eine Rolle innerhalb des allgemeinen Priestertums. Er oder sie predigt das Wort Gottes and spendet die Sakramente. In der katholischen Kirche handelt der Priester in persona Christi. Christus ist der Bräutigam, die Kirche ist seine Braut. Das Hochzeitsgeheimnis ist durch das Alte und Neue Testament verkündet. Nach dem katholischen Verständnis des Priesteramtes vertritt der Priester Christus selbst, den Schöpfer des Neuen Bundes, den Bräutigam und das Haupt der Kirche. Das ist besonders wahrhaftig im Fall der Eucharistie, wenn Christus seinen Dienst der Erlösung ausübt. Man muss schon zutiefst die Bedeutung des bräutlichen Mysteriums für die Ökonomie des Heils missachten, um ein Argument für die Weihe von Frauen zu finden. Wenn die Kirche Frauen weihen würde, ginge das gesamte Verständnis der Bedeutung des Femininen und Maskulinen im Wirken unserer Erlösung verloren. Hier steht viel auf dem Spiel. Als ich das wirklich erkannte, war es für mich relativ leicht, meine Weihe aufzugeben und die Position der Kirche anzunehmen. |
#186 WHAT DO WE DO04.06.2006 - 20:57 |
Hilary asks: What do we do now? I have heard what amounts to the same question from a number of different people this week, (some across the pond in lovely olde England.) There are different levels of despair among everyone who inquires. Some speak in terms of inevitabilities: what do we do now, now that nothing can be done? Others rage against the agonies of dry martyrdom: what do we do now, now that none care whether or not anything is done? A few do not betray any emotion, aside from bewildered anxiety, in their way of asking. They are sincere: what do we do now, now that we do not know what to do anymore? What\s the answer? There\s little thats known about the future. There will be suffering, that\s a guarantee. We don\t know what\s going to happen, except that it is probably going to hurt a great deal. What to do, when so much is unknown, when the devil is circling, seeing whom he may devour? There is no way of guessing what is the best thing to do. I am utterly convinced of the following ... There is no program, to save or salvage anything. Except: Personal. Holiness. No one, and I mean NO ONE can take your faith from you. Not any lukewarm DRE, or liberal nun or heretical priest or apostate Bishop. Not your Boss or your co-workers, or the media. Not a judge, not your neighbors, and not your doctor. Not your country or all of your country\s armies. Not any power on earth or under the earth. They may all try to convince you to give it up, but it is yours alone to surrender. I remember someone saying this next part. I heard it somewhere, or maybe I glued bits of it together in my own mind. In any case, thinking of it causes most of my anxieties to disappear in an instant: Even before you were conceived in the womb, the Lord Jesus thought about how He was going to be yours. Hold on to what you\ve been given, and work while there is light. reply: Very nice indeed and very true. And I saw you beginning to say the same sort of things on Hilary\s blog and quitting. But you inspired me and I took up your thoughts and joined them with a couple of other things that I thought of. It doesn\t end up being as eloquent as what you wrote, but it might be worth saying anyway: "It may have been said by someone in an earlier thread. And it may be drivel and NOT worth listening to. But it seems to me that one thing that Trads, with their commendable insistence on thinking with the PAST Church not just the present one, should be mentioning in this regard is PENANCE. That sucks even worse than prayer. The answer to Sin is PENANCE and ATONEMENT. In the form of active charity, perhaps, of a different kind. There are always hospitals and jails to be visited, always all sorts of mortifications to be practiced. Ora et LABORA, the monks used to say, didn\t they? "How can I believe?", wrote someone or other to Hopkins. "Give alms," he wrote back. The Giant, in the end, is, after all, a pipsqueak. He\s boxing with the air--what does it mean to FIGHT against God? There\s no way to get a purchase on the Divine Substance. The trick is to remember that--whatever you think about New Movements or Signs of Spring; whatever you think about Christendom or secularism or the Threat of Islam--WE CANNOT LOSE. The Game is UP. It was over and finished two thousand years ago. All this is just working out the details. And whatever is LOST, will be returned in the end. That can\t just be drivel. Elizabeth is right. It\s not just that YOUR faith can\t be taken from you. Or mine. It\s that the "Fight" doesn\t belong to us and the Kingdom of God cannot be overcome. That\s not "being cheered up." That\s seeing straight, I submit." |
#185 RIDICULOUS04.06.2006 - 20:55 |
I admit it. Sometimes, when I\m reading about the more miraculous works of the Saints (the levitating, the Stigmata, etc.) I feel a little crinkle of skepticism. Yeah right, a tiny voice says. That\s ridiculous. If I\m not careful, that crinkle on the crust can bleed over into the whole pie. Soon the tiny voice is denouncing the more fundamental things. Virgin Birth? It\s impossible! Incarnation? It\s unbelievable! Ressurection? Completely ridiculous! Then of course, I remind the tiny voice that Thomas Aquinas had brains coming out of his ears, and it was all perfectly acceptable to him. Game, set and match. You\re not all that, little mind. It\s not like you can come up with a new objection that hasn\t been blasted away by the logic of the Angelic Doctor and company. People are always quite sure that Faith is ridiculous. They rarely consider how ridiculous everything else is. The television camera, for example. Watch something through this lense, and little electrical signals will shoot out across the world and rearrange themselves to display the exact same picture on a screen 100 miles away. That friends, is the silliest thing I\ve ever heard. Why should that work? And yet it does. Ever wonder about gravity? Now gravity, that\s ridiculous. Everything, and I mean everything that goes up, must come down. Not only that, it all comes down at the same exact speed. When I was a bambina, I understood that there were some things I couldn\t comprehend on my own. They had to be explained to me. And even if I didn\t understand the explaination, that didn\t mean it wasn\t so. But if I had the same know-it-all attitude that many grown-ups have, then when someone finally told me about television and gravity, I would have smiled nicely at that person and whispered to my nearest neighbor: "touched in the head, that one." Grown-ups think they know everything. Silly nanny goats. reply: The reason why the television lens and gravity aren\t scoffed at is because science can prove without a shadow of a doubt that such things can happen and such things are quite normal. They affect us everyday. It\s a little bit harder to have faith when it comes to the Virgin Birth, Incarnation, and the Resurrection. I\m not saying I don\t believe those things or don\t see where you\re coming from. Just playing Devil\s advocate here. |
#184 EDITH 3 (ISA)04.06.2006 - 15:20 |
10.2 Sendung heiliger Frauen in der Geschichte Europas Sr. Isa Vermehren Vortrag am 5. März 1987 in der St. Lambertikirche in Münster i.W. Die wichtigsten Botschaften in die Zeit die Gott uns zukommen läßt, sind die Heiligen. Die ersten, die diese entdecken und ihre Botschaft hören, sind die Gläubigen selber. Betroffen, angerührt, aufgeweckt von der direkten oder indirekten Begegnung mit einem dieser ausgezeichneten Menschen, werden sie nicht müde, nach ihm zu fragen: wie war er? was hat er gesagt? was hinterlassen? wie hat er gelebt? wie ist er gestorben? wer kann uns sein Leben erzählen? Es hat uns etwas zu sagen! Wenn die Kirche dann nach gründlicher Prüfung eines solchen Lebens sich entschließt, einen Menschen, der in dieser Weise die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf sich gezogen hat, selig oder heilig zu sprechen, dann erhält dieses Leben damit die Bestätigung, daß es eine Botschaft Gottes in unsere Zeit enthält. Es ist das Verdienst des Karmelordens und einiger Freunde und Verehrer Edith Steins, daß heute eine ziemlich lückenlose Kenntnis ihrer äußeren Lebensgeschichte vorliegt. Ihre Spur verliert sich erst zwei Tage vor ihrem gewaltsamen Tode, dessen Datum amtlicherseits auf den 9 August 1942 festgesetzt wurde. Zwei Tage vorher war sie ein letztes Mal vom Stationsvorsteher in Schifferstadt (Pfalz) gesehen und erkannt worden. Die dann folgenden 48 Stunden umschließen ein so unvorstellbares Maß von Angst, Grauen und Schrecken, daß unsere Phantasie ihr nicht mehr zu folgen vermag, kaum vermögen es unsere Gebete. Um so größer sind unser Staunen und unsere Dankbarkeit, mit denen wir ihr großes ruhiges Gesicht auftauchen sehen über den Krematorien von Auschwitz, stellvertretend für alle, die in dieser von Menschenhand bereiteten Hölle den Glauben an die Treue Gottes nicht verloren. Edith Stein - eine kurze Portraitskizze Welches ist die Botschaft Gottes, die wir dem Leben Edith Steins entnehmen sollen? Ich setze Edith Steins Lebenslauf als bekannt voraus und will darum nur kurz einige äußere und innere Daten erwähnen, die mir für unsere heutige Betrachtung wichtig sind. Edith Stein war ein von Natur aus ungewöhnlich reich ausgestatteter Mensch: Sie war begabt mit einem überragenden Verstand und einem unbestechlichen Sinn für Klarheit der Begriffe und Logik des Denkens. Es ist darum nicht verwunderlich, daß schließlich die ureigenste Frage des Verstandes, die Frage nach der Wahrheit, auch ihre Lebens- und Schicksalsfrage wurde. Sie war überdies begabt mit einem zarten Gewissen und einem kindlich warm empfindenden Herzen, denen sie eine Kenntnis des Menschen verdankte, die sie zu ebenso viel Bewunderung wie Mitleid mit ihm bewegte. Sie war begabt schließlich mit einem starken, disziplinierten Willen, der sie zu einer erstaunlichen Arbeitsleistung befähigte: als Schülerin, als Krankenschwester, als Studentin, Assistentin oder Lehrerin - niemand hat sie je gähnen sehen. Diese hervorragenden, natürlichen Voraussetzungen hatten in ihrer großen, vom jüdischen Glauben geprägten Familie eine hochqualifizierte Erziehung erhalten, in deren Mittelpunkt eine starke, gütige Mutter stand, deren Lebenshaltung geprägt war von der Gottesfurcht. Alle anderen Güter, Werte, Tugenden wurden durch sie relativiert, so daß sich ein Lebensgefühl gefügter Ordnung und stimmiger Zusammenhänge bilden konnte. Edith Steins Leben verläuft - von außen betrachtet - ungewöhnlich gradlinig und scheinbar ohne dramatische Phasen der Unsicherheit oder Unentschlossenheit, die wir Krise nennen und in der wir uns und anderen die halben Entscheidungen, ein Hin und Her des Suchens und Wollens ohne weiteres zugestehen. Diese nachweisbare Unbeirrtheit ihres Weges ist umso erstaunlicher, als ihr aufgrund ihrer Begabung eine unbegrenzte Berufswahl offenstand, und weil überdies ihr Leben ja nie ganz frei war von den Schatten, die erst ein latenter und später offen geschürter Judenhaß auf ihr eigenes Dasein und das ihrer Familie warf. Die drei großen Epochen, die sich dennoch in ihrem Leben deutlich unterscheiden lassen, werden von einer tieferliegenden Fragestellung bestimmt. Die ersten 20 Jahre beinhalten die ungehinderte Entfaltung ihrer außerordentlichen geistigen Kapazität auf Kosten ihrer Bindung an die jüdische Religion. Es ist die Phase einer tiefreichenden Emanzipation, getragen von der Zuversicht auf die Leistungskraft von Verstand, Wissen und Bildung. Es folgen 10 Jahre eines intensiven geistigen Ringens, in denen Edith Stein unter der Führung ihres unerbittlichen Intellekts Antwort sucht auf die Frage nach der Wahrheit. Rasch durchschaut sie die Unzulänglichkeit der Psychologie, mit deren Studium sie in Breslau neben dem von Deutsch und Geschichte begonnen hat. Sie macht dieser Wissenschaft den Vorwurf, daß sie keine klaren Grundbegriffe hätte und auch nicht imstande sei, solche zu erarbeiten. Härter ist die Auseinandersetzung mit der Philosophie, die ihr in der Husserl\schen Phänomenologie das ganze Problemfeld der Wahrheitserkenntnis aufschließt, ohne zur Wahrheit selbst vorstoßen zu können. Wenigstens nicht zu jener lebendigen, jeden anderen Wahrheitsanspruch abdeckenden Wahrheit, die sich unter dem Namen Gott verbirgt, und von der Edith Stein ein ahnungsvolles Vorwissen mit sich herumtrug. Die Philosophie, zumal die Phänomenologie, ermöglicht wohl das Erspüren des Unfaßlichen im Faktum religiöser Ergriffenheit, aber das schlußfolgernde Denken, so erfährt Edith Stein es selber prägt scharf umschriebene Begriffe, die das Unfaßliche in die Ferne rücken, die allem Begrifflichen eigen ist. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten aus dieser Zeit machen ihr bald einen Namen über die deutschen Universitäten hinaus. Dennoch scheint der Gedanke an eine Karriere auf diesem Gebiet nie ihr ernsthafter Wunsch gewesen zu sein. Die Philosophie kann den Weg zur Wahrheit freischaufeln, vermag aber selber nicht, sie adäquat zu erfassen. Der Absprung von dieser Erkenntnisebene in die Tiefe des Credo, in dem alles Erkennen überholt wird vom Akt des Vertrauens und der Hingabe, in dem alles Suchen und Fragen einmündet in Begegnung mit dem Du des lebendigen Gottes, bereitet sich dennoch vor unter der Oberfläche ihres von harter geistiger Arbeit und vielseitigen, menschlichen Beziehungen erfüllten Lebens: ob Edith Stein studierte oder lehrte, im Lazarett pflegte oder sich nützlich machte in ihrer großen Familie, ob sie ihre vielen Freundschaften mit Briefen pflegte oder in Gesprächen - was sie tat, tat sie mit größter Intensität, Konzentration, ungeteilter Hingabe des Geistes und des Herzens. Unter allen Begabungen, die sie hatte, scheint diese die hervorstechendste bzw. unfassendste gewesen zu sein. Die letzten 20 Jahre von ihrer Konversion bis zu ihrem namenlosen Untergang in der Hölle von Auschwitz stehen unter diesem Imperativ. Die Botschaft der Heiligen muß entschlüsselt werden. Was am Leben eines so ungewöhnlich begabten Menschen kann Botschaft sein? Welches ist die Botschaft, die uns treffen soll? Ich will mich nicht aufhalten bei der moralischen Vorbildlichkeit dieses Menschen, die durchaus auch Botschaft sein kann für uns heute, die wir uns schwer tun mit der Begründung einer sich auf Gottes Gebot berufenen Moral: dabei ist die Sinnhaftigkeit des Gebotenen das kleinere Problem - das größere liegt in der Autorität des gebietenden Gottes, die viele nicht mehr ernst nehmen können. Die Ehrfurcht vor Gott, seiner Schöpfung, seinen Geboten, die Edith Stein am Beispiel ihrer Mutter kennen gelernt hatte, hafte tiefen Einfluß auf die Heranbildung ihres sittlichen Empfindens, das mit Schmerz auf jede Unrechtserfahrung reagierte und tief durchdrungen war von der Verpflichtung des Menschen, gut sein und Gutes tun zu sollen. Ich will mich auch nicht aufhalten bei der Vorbildlichkeit ihrer intellektuellen Redlichkeit, so beherzigenswert sie auch für uns wäre. Haben nicht die meisten heute nur noch ein Achselzucken des Pilatus übrig für die Frage, an die Edith Stein ihr Leben buchstäblich hingegeben hat: was ist Wahrheit? wo ist Wahrheit? in wem ist Wahrheit? Beides, die Gewissenhaftigkeit im Handeln und die Unbedingtheit der Wahrheitssuche und -liebe sind die klassischen Wege der Gottsuche. Vorbildlich ist die Konsequenz, mit der sie von Edith Stein beschritten wurden! Ich möchte statt dessen etwas allgemeiner nach der Botschaft der Heiligen und damit auch der von Edith Stein fragen. Im Leben dieser Erwählten leuchtet ja nicht nur etwas davon auf, wie Gott sich den Menschen gedacht hat und wie sein Leben sich vollendet, wenn es sich ganz auf Gott verläßt, sondern sie werfen gleichzeitig ein Licht in die Dunkelheit unserer Weltgeschichte, so daß der Glaube an deren Grunde die geheimnisvolle Strömung der Heilsgeschichte erkennen kann, die für das unerleuchtete Auge überdeckt bleibt vom flachen Wellenschlag der Tagesereignisse. Die Botschaft Gottes, die seine Heiligen uns vermitteln, erfolgt nur in Ausnahmefällen im direkten, prophetischen Wort: sie muß vielmehr dem Leben dieser Menschen selbst entnommen werden. Das Zeugnis für Gott mit Worten genügt bekanntlich nicht: es muß ein Zeugnis mit dem Leibe sein, d. h. eines mit unserer ganzen sowohl fleischlichen wie geistigen Personalität. Schließlich: mit dem Munde bekennen wir Gott, mit dem Leibe verherrlichen wir ihn. Wer wirklich für Gott leben will, muß von vornherein auch bereit sein, ja, eigentlich das Verlangen haben, auch für ihn sterben zu dürfen. Er ist ja nicht nur Herr über Leben und Tod, er ist das Leben selber, das sich uns im Tode schenkt. Diese Merkmale finden wir im Leben aller Heiligen, in ihnen verschlüsselt steckt ihre Botschaft an uns. Ein Vergleich von Edith Stein mit anderen heiligen Frauen soll uns helfen, das Besondere ihrer Botschaft klarer herauszustellen. Von Gott betroffen - für Gott wirken Keiner macht sich selbst zu einem Heiligen: Heiligkeit ist ein dialogisches Geschehen zwischen Gott und einem Menschen, ein Ruf-Antwort-Geschehen, das auf der Seite des Menschen für uns faßbar wird in den beiden Momenten von Betroffenheit und Wirksamkeit. Das Verlangen, für Gott allein zu leben, bricht geschenkhaft auf im Leben eines Menschen in einer Situation, einem Augenblick, den er nicht ausgesucht hat. Der Ruf Gottes hat ihn getroffen. Die Bedingungen dieses Momentes - die geschichtlichen, sozialen, menschlichen - gehen ein in die Berufung, gehören zu ihrer Disposition. Sie geben uns die Möglichkeit zu einer gewissen Typisierung der Betroffenheit, die sich in unterschiedlicher Wirksamkeit entfaltet. Sie brauchen nur an den Lebensentwurf zu denken, mit dem der heilige Benedikt und seine Schwester SchoIastika dem chaotischen Treiben der Völkerwanderung ein Ende machten, nach außen und nach innen; an die unverminderte Zündkraft, mit der der heilige Franziskus und die heilige Klara auch heute noch gegen die Verführung durch den Reichtum und für die Freiheit der Liebe im armen Christus zu begeistern vermag, an die durchdringende Ordnungsmacht ignatianischer oder teresianischer Lebensorientierung, die sich bis heute als Bollwerk bewährt gegen den Protest reiner Subjektivität, um zu wissen, in welche Richtung ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte. Die Genannten waren Kinder ihrer Zeit, die unter den gegebenen Bedingungen, mit den vorgefundenen Denk- und Sprachkategorien ihren Auftrag verwirklicht haben: dem Zusammenfluß von Natur und Gnade unter veränderten Voraussetzungen ein neues Bett zu graben, so daß - um im Bild zu bleiben - zu beiden Seiten des Flusses sich fruchtbare Ufer bilden konnten. Viele der bekannten heiligen Frauen unserer abendländischen Geschichte gehören zu diesem Typus der Betroffenheit, aus dem sich auch ihre Wirksamkeit ableitet: im Schaffen und Bauen von Stätten der Geborgenheit und Mildtätigkeit z.B. versuchten sie, etwas von der Liebe Gottes für die leidenden Menschen erfahrbar zu machen - ich denke an die heilige Adelheid, die heilige Hedwig. Nahe liegt der Gedanke an die heilige Elisabeth, die, mehr noch als die beiden anderen, sich selbst zur Gabe an die Kranken und Hilfsbedürftigen machte und unendlich viele Frauen inspirierte, ihr darin zu folgen. Andere Frauen, z.B. Mary Ward, Franziska von Chantal, Madeleine Sophie Barat, haben ihre ganze Kraft darauf verwandt, angesichts der neu entstandenen Glaubensnot in der Verkündigung des Evangeliums auch neue Wege zu beschreiten, für die Wiedererstarkung der Kirche neue Methoden katechetischer Unterweisung zu suchen: von ihnen allen ist ein unermeßlicher Einfluß ausgegangen auf die Prägung christlicher Familien und Lebenskultur. Diese Frauen waren betroffen vorn leiblichen oder seelischen Elend anderer Menschen um der Liebe Christi willen, um derentwillen wurden sie tätig, und mit Gottes Hilfe gelang ein Werk, das ihren Namen trägt. Machen wir uns klar, was das heißt: Der Anblick von Not allein setzt nichts in Bewegung. Der Priester und der Levit gingen vorbei an dem, der von Räubern halb erschlagen am Wegrand lag. Ein modernes Fernsehpublikum ist durch den täglichen Anblick von Szenen himmelschreienden Unrechts daran gewöhnt, Not tatenlos an sich vorüberziehen zu lassen. Nicht die Not öffnet unsere Augen, sondern nur das Mitleid öffnet sie so, daß Herz und Hand zur Tat gedrängt werden. Dieses Mitleid ist die erste Spur des anwesenden Christus, der in einem Menschen wirksam werdenden Liebe Christi. Die helfende Tat gibt sichtbaren Ausdruck von ihr; an ihr kann der Glaube anderer sich wieder aufrichten. Die beispielhafte Kraft der genannten Frauen besteht darin, daß und wie sie sich der unaufhaltsamen Flut menschlicher Gebrechlichkeit entgegenstellen, um die Menschen vor dem Untergang in ihr zu bewahren; die Flut selbst abwehren zu wollen, wäre Vermessenheit gewesen. Die Heiligen haben nicht die Ambition, die Not als solche zu beseitigen, das menschliche Elend mit all seinen Wurzeln auszugraben. Die beiden christlichen Versuche dazu, die wir alle kennen - den einen politischen, der Jesuitenstaat in Paraguay, und den anderen literarischen, der Großinquisitor von Dostojewski - mußten scheitern: beide tun der Realität Gewalt an, weil sie versuchen, das Kreuz Christi zu mildem, zu ertragen, umzuwandeln, zu umarmen und zu erklären - seine Liebe spendet ihren Trost in der Not, nicht auf deren Kosten. Die Not bleibt das unauslöschliche Merkmal der gefallenen Schöpfung auch nach dem Erlösungstod Jesu Christi: Ihre endgültige Aufhebung nennen wir Himmel; ihn gibt es nur bei Gott, nicht auf Erden. Aus diesem Zusammenspiel ,von Betroffenheit und Wirksamkeit im Kleinen wie im Großen ist die christliche Kultur des Abendlandes erwachsen, deren Konkurs wir heute erleben. Von Christus ergriffen - mit / für Christus leiden Aber wir kennen noch eine andere Art des Betroffenseins vom Geheimnis menschlicher Not und göttlicher Liebe, die uns vor allem von Frauen vorgelebt wird, denen Erich Przywara, einer der vielen geistvollen Freunde von Edith Stein, eine unbekümmert größere Radikalität" im religiösen Bereich zuspricht. Ich denke an Marie de l\Inkarnation, Rosa von Lima, Katharina von Siena, die große, die kleine Therese -. Natürlich haben diese Frauen ebenfalls Sinn und Verständnis gehabt für die Zeugnishaftigkeit der Werke der geistigen und leiblichen Barmherzigkeit. Aber im Mittelpunkt ihres Betens, Betrachtens, ihres Fühlens und Handelns stand nicht der notleidende Nächste von nebenan, sondern der notleidende Christus selber; Not leidend in seiner Passion, auf seinem Weg nach Golgota, bei seiner Hinrichtung, fortleidend in seiner Kirche, in ihren trägen, faulen, abtrünnigen Gliedern, in den unbußfertigen Sündern, in lauen Priestern und selbst-gefälligen Ordensleuten... Das Schicksal, das die Liebe Christi in den Herzen der Menschen erleidet, wird ihr Schicksal. Diese unsichtbar bleibende, aber ungeheuer dramatische Seite des Erlösungsgeschehen läßt ihr Herz entbrennen in leidenschaftlicher Liebe zum Menschgewordenen, in dessen Sinnen und Trachten, Beten und Leiden sie tief hineingezogen werden. Sein Leben wird buchstäblich ihr Leben, so daß all ihre seelischen Kräfte von der inneren Wahrnehmung und dem sich Einlassen auf diese Wirklichkeit absorbiert zu sein scheinen. Das hindert nicht, daß diese Frauen zum Teil eine beeindruckende Tätigkeit nach außen entfalten, aber diese haben den Charakter einer Nebenwirkung aus ihrer Haupttätigkeit, die eben darin besteht, ihren Herrn aus ganzem Herzen zu lieben und es geschehen zu lassen, daß sie hineinwachsen in die Breite und Höhe Tiefe und Länge dieser Liebe; d.h. teilnehmen an ihrer Kreuzesgestalt. Betroffenheit und Wirksamkeit im Leben von Edith Stein Daß Edith Stein in keinem der skizzierten Modelle von Betroffenheit und Wirksamkeit ganz aufgeht, weist hin auf eine tiefere Schicht im Geheimnis göttlicher Berufung. Von ihrer natürlichen Begabung her brachte Edith Stein alle Voraussetzungen mit für eine reiche und fruchtbare Lehrtätigkeit als Philosophin. Von ihr hätten wir uns einen Brückenpfeiler für diese Wissenschaft erhoffen dürfen, über den ein Bogen bis in unsere Zeit hätte geführt werden können. Die von Edith Stein anvisierte Synthese zwischen Husserls Phänomenologie und thomistischer Erkenntnislehre hatte die Frage nach dem eigentlichen Sein der Dinge wieder in die Mitte gerückt; ihre philosophische Arbeit an dieser Problematik war innerhalb ihrer Biographie eine unerläßliche Voraussetzung für ihre theologische Einsicht, von der ihr Leben schließlich ganz bestimmt wurde. Die alte ancilla Rolle der Philosophie gegenüber der Theologie war bei Edith Stein noch einmal voll zum Tragen gekommen und hätte mit ihrer Hilfe - wäre ihre wissenschaftliche Tätigkeit nicht gewaltsam ab- bzw. umgebrochen worden - diese Stellung vielleicht noch länger behaupten können. Edith Stein hatte aber nicht nur einen wachen und scharfen Verstand, sie hatte auch ein zart empfindendes Gewissen und ein zu großer Hingabe fähiges Gemüt. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich bei Ausbruch des 1. Weltkrieges für einen besonders heiklen Lazarettdienst meldet - Pflege in einem Seuchenlazarett - wirft ein Licht auf diese großmütige Einsatzbereitschaft. Diese war zu diesem Zeitpunkt noch nicht religiös motiviert, sondern ausgelöst wohl von jener allgemeinen Vaterlandsliebe, die damals die deutschen Truppen singend in den Krieg ziehen ließ, und von einem tiefen Solidaritätsgefühl mit den eingezogenen Kommilitonen, verglichen mit denen sie es nicht besser haben wollte. In ihrer späteren Tätigkeit als Lehrerin und Dozentin an der pädagogischen Hochschule in Speyer und Münster steht sie durchaus kämpferisch auf der Seite der Frauen, die für eine Korrektur des Frauenbildes in der Öffentlichkeit eintreten: bessere wirtschaftliche, politische, berufliche Ausbildung für die Frau ist ihr Ziel und der Abbau der Vorurteile gegen die Erwerbstätigkeit auch der verheirateten Frau. Dabei hält sie fest an einer Vorstellung unterschiedlicher Wesensart von Mann und Frau. Jene der Frau ist für sie umfassend gekennzeichnet im Begriff der Mütterlichkeit, für sie eine Qualität der Kraft und Wärme, die Menschen nicht vereinnahmt, sonder freisetzt in die eigene Existenz. Beobachtet man sie in dieser Tätigkeit, ihr hätte auch ein Jurastudium gelegen mit einer politischen Laufbahn. Edith Stein geht mit nachtwandlerischer Sicherheit an all diesen naheliegenden und verlockenden Entwicklungsmöglichkeiten vorüber, unwiderstehlich angezogen von der einen Frage nach der Wahrheit. Anfangs war das für sie die Frage des erkennenden Verstandes schlechthin, die sich zuspitzt zur philosophischen Wahrheitsfrage, mit der sie sich so lange auseinandersetzt, bis sie erkennt, daß - soll die Antwort das ganze Sein umfassen - eine rein idealistische Lösung nicht ausreichen kann. Das Sein selbst ist mehr als jede Erkenntnis oder Aussage über das Sein. Es ist darum nicht von ungefähr, daß ihr die lebendige Wahrheit Gottes nicht etwa im Evangelium oder irgendeinem theologischen Traktat aufgeleuchtet ist, sondern vermittelt wurde durch zwei Zeugnisse gelebten Glaubens: zuerst, 1917, in dem vom Glauben an Christus gesammelten Schmerz der Witwe ihres verehrten Professors Adolf Reinach, und dann, 3 Jahre später, im autobiografischen Bericht der heiligen Teresa von Avila. Von der Begegnung mit der Witwe Reinach sagt sie selber, daß ihr in diesem Augenblick Christus aufgeleuchtet sei im Geheimnis des Kreuzes". Die Haltung von Frau Reinach vermittelt ihr etwas von der göttlichen Kraft, die das Kreuz seinen Trägern mitteilt, sie sieht zum ersten mal die aus dem Erlöserleiden geborene Kirche in ihrem Sieg über den Stachel des Todes handgreiflich vor sich". Die Lektüre von Teresa von Avila schließt sie mit den Worten: das ist die Wahrheit!" Zu viel von ihrer eigenen Erfahrung der Gottesferne, der Gottessehnsucht, der Gottesflucht und der Gotteszuwendung hatte sie in Teresas Buch wiedergefunden - sie konnte nicht anders als erkennen und verstehen, mehr noch, sich selber in ihrer Gottsuche als erkannt und verstanden in dem Buch wiederzufinden. Die Wahrheit, die sie gesucht hatte, traf sie wie in einem einzigen Strahl: Das Kreuz Christi ist die Wahrheit - sich auf diese Wahrheit einlassen heißt so viel wie sich auf das Kreuz einlassen. Es ist bekannt, mit welch unerbittlichen Konsequenzen diese Einsicht zum allein bestimmenden Gesetz ihres Lebens wurde. Edith Stein Thérèse von Lisieux - Simone Weil: ein Vergleich Nun ist sicher wahr, daß kein Heiliger einen anderen als den gekreuzigten Heiland geliebt hat, ihm gerade auch als dem Kreuztragenden nachfolgen wollte, um seinetwillen das Kreuz hinnehmen wollte bis zum Tode, aber die Lichtbrechung, in der dieses Geheimnis steht, ist von einem zum anderen verschieden An dieser Stelle erst berühren wir die tiefste Schicht der Berufung von Edith Stein. Um sie deutlicher zu erfassen, soll nochmals weiter ausgeholt werden durch einen Vergleich mit zwei anderen ebenbürtigen Frauen, die ebenfalls von Christus ergriffen waren; mit ihrer großen Ordensschwester, der kleinen Therese von Lisieux, und mit ihrer kongenialen französischen Kollegin, der jüdischen Philosophin Simone Weil, die ebenfalls ein Opfer nationalsozialistischen Judenhasses wurde. Zwischen beiden nimmt Edith Stein nicht nur zeitlich die mittlere Position ein - sie wurde sechs Jahre vor dem Tod der heiligen Therese geboren und wird von Simone Weil, die 1943 stirbt, um ein Jahr überlebt - sie steht auch in einer viel tiefer reichenden Dimension zwischen den beiden anderen Frauen; Am Anfang unserer Überlegungen stand die Bemerkung, daß die Heiligen in ihrem Leben nicht nur etwas aufleuchten lassen von der Erbarmung Gottes, sondern daß von diesem Aufleuchten gleichzeitig ein Licht in die Zeit fällt, in der sie leben, so daß deren heilsgeschichtliche Sinnspitze wahrgenommen werden kann. Ferner gesagt, daß die zufälligen Bedingungen ihrer individuellen Existenz bestimmend sind für die Disposition ihrer besonderen Berufung. Die drei eben genannten Frauen gehören mit ihrer Lebens- und Wirkungsgeschichte in unsere Gegenwart. D.h. ihr Zeugnis für Gott hat sich bewährt gegenüber den spezifischen Anfechtungen, denen der Glaube in unserem Jahrhundert ausgesetzt ist. Das Folgende erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit; es muß genügen, wenn es gelingt, das Beispielhafte herauszustellen. Thérèse von Lisieux - Gott ist barmherzig Das innere Leben-Erleben dieser drei Frauen ist aufs eindringlichste gekennzeichnet von der Erfahrung der Gottesferne - sie ist auch das quälendste Symptom in der Psyche des modernen Menschen. Diese Erfahrung der Gottesfeme überrascht besonders im Leben der kleinen heiligen Therese. Aufgewachsen als umhegtes Nesthäkchen in einer zärtlichen und von tiefer katholischer Frömmigkeit erfüllten Familie, scheint sie zu den Lieblingskindern Gottes zu gehören, die allezeit ihren Glauben, ihre Liebe aus der Fülle himmlischer Tröstungen schöpfen können. Für die ersten Jahre ihres Lebens mag das zugetroffen haben, aber spätestens mit dem Eintritt ins Kloster ändert sich das. Der kleine Karmel in Lisieux mit seinen vielen Vorschriften und Übungen, seinen mündlichen Gebeten und formelhaft erstarrtem Gemein-schaftsleben, mit seinen lauwarmen Mitgliedern, einem mürrischen Seelsorger und einer unfähigen Oberin war alles andere als ein heiliger Ort. Er war dafür eine einzigartige Gelegenheit um zu beweisen, daß Heiligkeit an jedem Ort entwickelt und erworben werden kann. Wie durch ein erbarmungsloses Vergrößerungsglas präsentiert sich der feinfühligen Therese in ihren Schwestern das Phänomen der Mittelmäßigkeit. Dies allerdings nicht nur als ein proprium dieses Karmelkloster\s, sondern darin vergegenwärtigte sich ihr der Zustand der Christenheit, der sie schmerzlich leiden ließ an der verschmähten Liebe Christi. Sie entdeckt in diesem Zustand der Kirche das verborgene Antlitz Jesu Christi, jenes, das sich dem Schweißtuch der Veronika eingeprägt hatte. Am meisten, so meint ihr Biograph W. Nigg, habe sie unter der Kälte gelitten, nicht nur der klimatischen, mehr noch der menschlichen. Er schreibt: Das körperliche Kältegefühl erscheint als Ausdruck des inneren Frierens über das lieblose Millieu... Therese ist unter dem Mangel der vernachlässigten Nächstenliebe verblutet." (Große Heilige 437/8) Die durchdringende Erfahrung falsch verstandener, wenn nicht gar mißbrauchter Erlöserliebe geht für Thérèses jahrelang Hand in Hand mit einem Zustand geistlicher Trockenheit, der ihre innere Landschaft in ein eintöniges Grau hüllt. Aus ihm steigen furchtbare Versuchungen gegen den Glauben auf, und Therese muß zugeben, daß es keine Gotteslästerung gäbe, zu der sie nicht selber fähig gewesen wäre. Therese wählt unter diesen Bedingungen den Weg der bedingungslosen Hingabe an die göttliche Barmherzigkeit, der sie sich als Opfer weiht. Nicht Sühneopfer für die göttliche Gerechtigkeit will sie sein, sondern Auslöser und Beschwörer seiner Barmherzigkeit: die Schätze seiner Liebe sollen nicht eingeschlossen bleiben in sein Herz. Dieses rückhaltlose Sich-Hineinwerfen in die Liebe Gottes ist unter diesen Umständen ein heroischer Akt des Glaubens. Er führt sie in die letzte Freiheit ihrem eigenen Schicksal, ihrer eigenen Situation gegenüber. Sie nimmt alles an, was und wie es ihr geschickt, bestimmt, von anderen angetan wird, und macht daraus ein Zeichen ihrer totalen Hingabe, ihrer bedingungslosen Liebe. Die bittere Arznei, die sie zu trinken bekommt und die aussieht wie köstlicher Likör, nennt sie selbst ein Bild ihres Lebens: In den Augen anderer war mein Leben stets in die schönsten, heitersten Farben getaucht. Sie meinten, ich trinke den köstlichen Likör, und es war nichts als Bitterkeit. Ich sage Bitterkeit, dennoch war mein Leben kein bitteres, denn ich wußte mir aus jeder Bitterkeit eine Freude und Süßigkeit zu machen, d. i. einen Ausdruck ihres unbedingten Vertrauens in Gottes barmherzige Liebe. Beide Erfahrungen: die der geistlichen Trostlosigkeit in sich selbst und die der erkaltenden Liebe rund um sich herum gehören in das Leidenspensum heutiger Christen - je nach dem Maße, in dem sie selber lieben, d.h. Christus liebende Christen sind. Therese, die keinen Schritt aus ihrem Milieu, aus ihrem Karmel gemacht hat, die, wie sie selber sagt, viel zu klein war, um ein großes Werk zu vollbringen, die noch nicht einmal die damals im Karmel vorgeschriebenen Bußwerkzeuge anwenden konnte, sie hat uns nur eine Biographie, d.h. ihr Leben selbst als Werk hinterlassen und dazu das Schlüsselwort zur Botschaft dieses Lebens: es heißt der kleine Weg. Dieser sogenannte kleine Weg hat größere Wirkung unter den Christen hervorgerufen als die ausgeklügelsten Programme oder hochkarätigen Seminare. Sein uneinholbarer Vorteil ist sein radikaler Realismus! Das Leben wird in seinen einzelnen Zufällen und Bedingtheiten wahr- und ernst-genommen als von Gott gewirkt, von Gott gewußt, von Gott gesehen und umfangen und von ihm gewollt. Alles wird hebend bejaht und so zum Zeichen unseres Glaubens und Vertrauens, aus welcher Dunkelheit und Verlorenheit auch immer wir dieses Ja zu ihm sagen. Simone Weil - Gott ist ohnmächtig Simone Weils Leben verläuft äußerlich in größtem Gegensatz zu dem von Thérèse von Lisieux Simone Weil studiert Philosophie, wird Lehrerin, nimmt teil an gewerkschaftlichen Demonstrationen auf dem ganz linken Flügel, auf dem sie Befriedigung zu finden hofft für ihr hohes soziales Ethos. Getrieben von ihrem Verlangen nach Solidarität mit der untersten Schicht der französischen Gesellschaft, den Land- und Fabrikarbeitern, verdingt sie sich, ungeachtet ihrer physischen Untauglichkeit, als Arbeiterin am Fließband und bei der Weinlese. Ihre Haupttätigkeit aber ist und bleibt immer und überall das Denken, das bohrende, ordnende Nachdenken über alles, was ist: Denken über sich selbst, die menschliche Natur, das Zusammenleben der Menschen, die Bedingungen ihres Handelns und ihres Scheiterns... Begabt mit einem ebenso durchdringenden wie umfassenden Blick für die ganze Wirklichkeit - die sichtbare und die unsichtbare - entwirft sie in zahllosen Aphorismen, Traktaten, Artikeln mosaikartig ihre Sicht vom menschlichen Dasein, insbesondere von ihrem eigenen und dessen besonderer Berufung. Die Gültigkeit der Prinzipien und Maßstäbe, die sie dabei entwickelt, muß von uns noch einmal entdeckt werden, nachdem ihre Schriften bei deren erster Veröffentlichung in deutscher Übersetzung, noch getragen von den Wogen des abklingenden Existenzialismus, eine mehr modebedingte Rezeption erfahren hatten. Anders als Therese von Lisieux verweilt Simone Weil nicht bei den Einzelerscheinungen, sondern abstrahiert von ihnen in meisterhafter Sprache das allgemeine Gesetz. Die Wirklichkeit eines liebenden Schöpfergottes und eines menschgewordenen Gottessohnes bilden die tragenden Eckpfeiler ihres Denkens. Innerhalb dieser Prämissen kommt sie zu einigen Aussagen über den Menschen und die Mechanismen, die den einzelnen als Individuum oder als Teil einer größeren Einheit bewegen, deren Wahrheit sie an ihrem Leben abliest. Einerseits war es ein Leben voller Aktivität, die aber bei näherem Zusehen dennoch vor allem das Ziel hatten, sie selbst als Person in den Zustand immer reinerer Passivität zu führen, des ungeminderten Erleidens, wie sie aufgrund ihrer Liebe zu Jesus Christus als einzig gerecht und angemessen für sich empfand. Das Ende ihres Lebens, an dem sie sich als Asylantin in der Nähe von London befand, hat sie insofern selbst herbeigeführt, als sie nicht bereit war, mehr und andere Nahrung zu sich zu nehmen, als damals ihre französischen Landsleuten auf Essenskarten zustand. Irgendeine besondere Aufmerksamkeit für ihre Person hat sie Zeit ihres Lebens mit wilder Scheu" abgelehnt aus einem tiefen Gefühl ihrer Unwürdigkeit heraus und wegen ihres Verlangens, durch nichts von den Menschen der anonymen Masse unterschieden zu sein. Darin erkannte sie für sich die größtmögliche Annäherung an Christus den Gekreuzigten, in dem sich ihr das unfaßliche Geheimnis der Liebe Gottes enthüllte. Ich möchte zur Unterstreichung des Gesagten einen Abschnitt aus Simone Weils Traktat Das Unglück und die Gottesliebe zitieren: Gott hat seine Schöpfung aus Liebe, um der Liebe willen erschaffen. Gott hat nichts anderes geschaffen als die Liebe selbst und die Mittel der Liebe. Er hat alle Formen der Liebe erschaffen. Er hat in allen möglichen Abständen Wesen erschaffen, die der Liebe fähig sind. Aber von Urbeginn hat die Menschheit, wie uns gesagt ist, ihren Blick von Gott abgewandt und ihren Weg in verkehrter Richtung genommen, so weit ihre Schritte führen... Daraufhin ist Gott selbst, weil kein anderer es tun konnte, bis in die äußerste Entfernung, den unendlichen Abstand von sich selber hinaus-gegangen. Dieser unendliche Abstand zwischen Gott und Gott - äußerste Zerreißung, Schmerz, dem kein anderer gleichkommt, Wunder der Liebe - dieser Abstand ist die Kreuzigung. Diese Zerreißung, über welche die höchste Liebe das Band der höchsten Einigung ausspannt, hallt unaufhörlich durch das ganze Weltall, vom Grunde des Schweigens gleich zwei getrennten und verschmolzenen Tönen, als eine reine herzzerreißende Harmonie. Dies ist das Wort Gottes. Die in der Liebe ausdauern, hören diesen Ton aus dem tiefsten Grunde ihrer Verlorenheit, wohin das Unglück sie hinabgestoßen hat. Von diesem Augen-blick an sind sie allen Zweifeln enthoben. Ein blinder Mechanismus, der auch der höchsten geistlichen Vollkommenheit nicht achtet, schüttelt und schwenkt die Menschen unaufhörlich hin und her und schleudert einige unmittelbar zu Füßen des Kreuzes hin. Es hängt nur von ihnen ab, ob sie durch diese Erschütterungen hindurch die Augen auf Gott geheftet halten oder nicht. Nichts außer der blinden Notwendigkeit kann einen Menschen an den Punkt des äußersten Abstandes, unmittelbar neben das Kreuz schleudern. Die menschlichen Verbrechen, die meistens Ursache des Unglücks sind, bilden einen Teil der blinden Notwendigkeit, denn die Verbrecher wissen nicht, was sie tun. Zweimal Zeugin für die Liebe Christi Dieser Text enthält eine Deutung von Simone Weils eigener Lebenserfahrung und überdies eine exakte Kennzeichnung des Schicksals, das Edith Stein widerfuhr. Bevor wir uns ihrer Gestalt zum Abschluß wieder zuwenden wollen, soll der Vergleich zwischen den beiden scheinbar so heterogenen Frauen Thérèse von Lisieux und Sirnone Weil zu Ende gebracht werden. Beide liefern sich bewußt und um Christi willen dem Erleiden von Gottesferne als Folge der Sünde aus; beide bezahlen mit dem Preis ihres Lebens. Thérèse macht aus ihrem Leben ein Opfer an die Barmherzigkeit Gottes - Simone Weil in ihrer herzzerreißenden Verhaltenheit verzehrt ihr Leben wie in einem Akt geistiger und moralischer Selbstverbrennung aus Liebe zu dem, der am Kreuz die Ohnmacht der Liebe Gottes offenbart. Beide Botschaften geben uns gleich viel an, beide verweisen uns auf eine Dimension des Christseins, die viele von uns aus dem Blick, aus ihrer inneren Sorge verloren haben. Dabei geht es um das Grundwasser unseres Glaubens; sackt dieses zu tief ab, verdorren ganze Landstriche Wir können auch anders fragen: Steht das Haus unseres Glaubens wirklich noch auf dem Fels Jesu Christi, so daß die Fluten ihm nichts anhaben können? Oftmals ist man erschrocken über die seichte Oberflächlichkeit, in die sich sogenanntes christliches, zum Teil auch kirchliches Reden und Handeln verloren hat! Edith Stein - Gott ist Versöhnung Betrachten wir\ zuletzt in diesem Zusammenhang Edith Stein, so gilt von ihr in letzter Zuspitzung, was Simone Weil gesagt hat: sie wurde von der Gewalt blinder Notwendigkeit an den Fuß des Kreuzes geschleudert, sie wurde aufgespürt von der gigantischen Vernichtungsmaschinerie der Nazis, wurde von ihr verfolgt, vertrieben, entdeckt, gepackt, verschickt und zuletzt vergast - besinnungslos, sinnlos, erbarmungslos - weil sie Jüdin war. Sie hat dieses Schicksal angenommen und als Christin überboten, in sein Gegenteil verkehrt: den Haß, der sie vernichten sollte, hat sie zu einem weithin leuchtenden Zeichen sieghaften Lebens gemacht. Ich glaube nicht, daß das Phänomen des Judenhasses im deutschen Bewußtsein hinreichend ausgegraben und auf- bzw. weggearbeitet worden ist: er ist ja mit rationalen Mitteln überhaupt nicht zu erklären. Man muß schon bereit sein, die dämonische Qualität anzuerkennen, die in dieser wilden Verkehrung der Macht in reinen Vernichtungswillen zum Ausbruch kam. Edith Stein hat wiederholt erkennen lassen, daß es ihre doppelte Verwurzelung war, die sie befähigte, diesen satanischen Angriff auf sich selbst, ihre Personenwürde, ihre Herkunft, ihr Volk, ihren alten und ihren neuen Glauben standzuhalten, ohne an der Treue Gottes irre zu werden: sie war stolz, Jüdin zu sein um Christi willen: von gleicher Art wie er, aus demselben Volk, derselben Geschichte stammend. Gleichzeitig empfand sie die Schuld ihres Volkes gegenüber diesem Messias, so daß sie den Platz an seiner Seite suchte, um Buße zu tun für diese Sünde ihres Volkes. Sie war eine Jüngerin Christi geworden und konnte darum in einzigartiger Weise den Haß, der sich gegen sie als Jüdin richtete, erfahren und annehmen als Haß, der sich gegen Christus richtete. Sie wurde - wie er - nicht für etwas, was sie getan hatte, zum Tode verurteilt, sondern für das, was sie war. Sie war Christin geworden und wurde durch ihre Lebensgeschichte in größtmöglicher Annäherung an Jesus Christus auf die höchste Stufe der Feindesliebe geführt. Durch ihre letzte wissenschaftliche Arbeit über Johannes vom Kreuz mag sie hinreichend vorbereitet gewesen sein auf das Maß von Schikane und Grausamkeit, das auf sie wartete, ungeheuer multipliziert dadurch, daß sie es nicht als einzelne erleiden mußte, sondern in der Anonymität der Masse. Diesen Angriff auf die Würde der eigenen Person übersteht nur der, der weiß, wer sein letzter Retter ist. Edith Stein war bereit, den ihr zugedachten Tod als Versöhnungsopfer auf sich zu nehmen im Sinne des Kreuzopfers Christi, der durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft zwischen Juden und Heiden niedergerissen hat. Sie wollte die Feindschaft niederreißen zwischen Juden und Deutschen, wollte Sühne leisten für die verblendeten Christen, die durch ihren Judenhaß so furchtbares Unrecht auf sich luden, wollte ihr Leben einmünden lassen in das Leben des Erlösers, der es hingab für das Leben der Welt. Mit dem Stichwort Versöhnung ist auch der Kern der Botschaft getroffen, die Edith Stein uns zu geben hat. Sie hat durch ihr Leben auf verschiedenen Ebenen Gegensätzliches zu vereinen, Getrenntes miteinander zu versöhnen versucht. Als Philosophin hat sie die klassische Philosophie mit der modernen auszusöhnen, hat überdies den sich abzeichnenden Bruch zwischen Philosophie und Theologie noch aufzuhalten versucht. Sie hat nach ihrer Konversion durch die unerschütterliche Treue, mit der sie ihrer von diesem Glaubenswechsel zutiefst gekränkten Mutter ihre Liebe bezeugte, Judentum und Christentum zur gottgewollten Aussöhnung zu bringen versucht; sie hat schließlich den ihr zugedachten Vernichtungstod in die Waagschale der Versöhnung geworfen für unser Volk, für die so furchtbar verführten Deutschen.. Gott ist Versöhnung, Gott wirkt Versöhnung, er wirkt sie am Kreuz durch den, der da gekreuzigt wird. Das Kreuz ist die Wahrheit, in der alle essentielle und existentielle Wahrheit konvergieren, in der alle Gegensätze versöhnt, alles Widerstrebende vereint wird, In ihm ist die ganze Einheit zwischen Gott und den Menschen und auch den Menschen untereinander wiederhergestellt. Vom Kreuz Christi wird alles Denken der Menschen eingeholt und auf diesen einen Punkt gebracht, in dem Tod und Leben sich begegnen: in dem der Tod das Leben vernichtet und das Leben endgültig den Tod besiegt. Licht in der Finsternis Im ersten Teil unserer Überlegungen haben wir unter den Begriffen Betroffenheit und Wirksamkeit das Leben einiger heiliger Frauen kurz auf uns wirken lassen. Fragen wir zum Schluß noch einmal unter diesem Gesichtspunkt nach den dreien, die wir zuletzt verglichen haben: Keine der Frauen hat ein Werk vorzuweisen, das ihren Namen trägt - alle drei haben nur autobiographische Schriften hinterlassen, die uns Einblick geben in die inneren Ereignisse und Beweggründe ihres Lebens, so daß die Bedeutung der Daten ihres äußeren Lebenslaufes für uns erkennbar werden. Ihre Botschaften lauteten: Gott ist immer der barmherzige Gott, Gott ist vor den Menschen ein ohnmächtiger Gott, Gott ist ein Gott der Versöhnung. Drei Botschaften an uns, durch die wir uns herausgefordert sehen: wir müssen sie in unserem Glauben lebendig erhalten und bekennen in einer glaubensärmer werdenden Welt. Alle drei Botschaften stammen aus derselben Begegnung mit Christus dem Gekreuzigten. Ich meine, diese Botschaft habe heute ihre eigene Dringlichkeit: das Bild des Gekreuzigten verschwindet langsam und unauffällig aus unserem Leben, aus unseren Wohnungen, zum Teil auch unseren Kirchen. Immer häufiger begegnet uns statt dessen der vorn Kreuz abgelöste Corpus mit ausgebreiteten Armen, irgendwo an der Wand zwischen Himmel und Erde hängend. Ich entdecke darin eine signifikante Gegenbewegung zu jenem Vorgang am Anfang neuzeitlicher Kirchengeschichte: damals wurde es in den protestantischen Gotteshäusern üblich, nur das Kreuz aufzustellen, ohne Corpus. Diese Verdrängung von der Wahrheit des Menschgewordenen und Gekreuzigten wird heute abgelöst durch die Verdrängung der Wahrheit, die dieser Menschgewordene und gekreuzigte Gottessohn unter uns aufgerichtet hat: die Botschaft von der Torheit des Kreuzes, die zugleich Botschaft ist von der unbesiegbaren Kraft dessen, der an ihm hängt. Die Botschaften der drei zeitgenössischen Frauen erwachsen auf dem Boden schmerzlich erfahrener Gottesverborgenheit, Gottesohnmacht, Goftesabwesenheit. Thérèse von Lisieux erfährt sie innerlich als Teilhabe am verborgenen Leben Christi im corpus mysticum; Simone Weil erfährt sie herzzerreißend als ihr eigenstes Schicksal: getrennt zu sein von dem, was man aus ganzer Seele sucht. Dieser Zug, meine ich, habe sich besonders scharf der Physiognomie des modernen Menschen eingeprägt. In ihrer geistigen Struktur gleicht sie der von Edith Stein wie ein Negativ dem Positiv. Deshalb durfte sie in unseren Überlegungen nicht fehlen. Edith Stein erfährt schließlich die Gottlosigkeit eines ganzen Systems, geballt als politisches, soziales, moralisches Phänomen, in unwiderstehlicher, scheinbar absoluter Mächtigkeit, der einzig und allein das Kreuz Christi standzuhalten vermag und der Mensch, der sich an ihm festhält. Alle drei Botschaften enthalten in sich auch den unüberhörbaren Jubelruf, den gefunden zu haben, den ihre tiefste Sehnsucht sucht - ihn, den lebendigen Gott, geborgen in dessen Hand sie keinen Tod mehr fürchten müssen. Alle drei enthalten eine unmittelbare Aufforderung an uns, alle falsche Angst und Bedenklichkeit hinter uns zu lassen und entschlossen mit dem ganzen Sein auf die erkannte Wahrheit der Liebe Christi zu setzen, koste es was es wolle. Es gibt kein anderes Mittel, die Nebel der Kleingläubigkeit und des Skeptizismus zu durchbrechen, in denen unser Glaube heute zu verkümmern droht. Sie sind uns auch ein Beispiel für den Mut, für die Art von Mut, dessen es bedarf, um zur Freiheit durchzustoßen, zu der Christus uns befreit hat. Das gilt besonders für Edith Stein, der wir hier besonders gedenken. Wie ein eschatologisches Zeichen steht ihre Gestalt über den Feueröfen von Auschwitz, diesem Mahnmal infernalischer Anmaßung, und ist weithin leuchtendes Zeugnis für jenes Feuer, das Gott selbst auf die Erde geworfen hat, von dem er wünscht, daß es brenne - brenne auch in uns! ----------------------------------------------------------------------- www.edith-stein-medien.de |
#183 EDITH 204.06.2006 - 15:18 |
Die Zwischenüberschriften und Hervorhebungen dienen als Lesehilfe. Sie gehören nicht zum Originaldokument.) Erneuerung Europas in der Fortführung der Geschichte der Heiligen 1. Die Hoffnung auf den Aufbau einer gerechteren und menschenwürdigeren Welt, eine Hoffnung, die von der Erwartung des nunmehr vor der Tür stehenden dritten Jahrtausends noch angefacht, muß von dem Bewußtsein getragen sein, daß menschliche Anstrengungen nichts nützen würden, wenn sie nicht von der göttlichen Gnade begleitet wären: Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut (Ps 127,1). Dem müssen auch alle Rechnung tragen, die in diesen Jahren vor dem Problem stehen, Europa eine neue Ordnung zu geben, die dem alten Kontinent helfen soll, sich durch Beseitigung, des traurigen Erbes der Vergangenheit die Reichtümer seiner Geschichte zunutze zu machen, um mit einer in den besten Traditionen verwurzelten Originalität auf die Erfordernisse der sich wandelnden Welt zu antworten. In der Gesamtgeschichte Europas stellt das Christentum zweifellos ein zentrales und prägen-des Element dar, das. sich auf dem starken Fundament des klassischen Erbes und der vielfältigen Beiträge gefestigt hatte, die von den im Laufe der Jahrhunderte aufeinanderfolgenden unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Strömungen eingebracht wurden. Der christliche Glaube hat die Kultur des Kontinentes geformt und sich mit seiner Geschichte so unlösbar verflochten, daß diese gar nicht verständlich wäre, würde man nicht auf die Ereignisse verweisen, die zunächst die große Zeit der Evangelisierung und dann die langen Jahrhunderte geprägt haben, in denen sich das Christentum, wenn auch in der schmerzlichen Spaltung zwischen Orient und Okzident, als die Religion der Europäer durchgesetzt hat. Auch in Neuzeit und Gegenwart, wo die religiöse Einheit sowohl infolge weiterer Spaltungen unter den Christen als auch wegen der Loslösungsprozesse der Kultur vom Horizont des Glaubens mehr und mehr zerbröckelte, kommt der Rolle des Glaubens auch weiterhin eine wichtige Bedeutung zu. Der Weg in die Zukunft muß dieser Gegebenheit Rechnung tragen. So sind die Christen aufgerufen, sich des Glaubens neu bewußt zu werden, um zu zeigen, was er an Möglichkeiten ständig in sich birgt, Sie haben die, Pflicht, zum Aufbau Europas einen besonderen Beitrag zu leisten. Dieser wird um so wertvoller und wirksamer sein, je mehr es den Christen gelingt, sich selbst im Lichte des Evangeliums zu erneuern. Auf diese Weise werden sie jene lange Geschichte der Heiligkeit fortführen, welche die verschiedenen Regionen Europas im Laufe dieser zweitausend Jahre durchzogen hat, in denen die offiziell anerkannten Heiligen nur die als Vorbilder für alle Menschen ausgewiesenen Höhe-punkte sind. Denn zahllos sind die Christen, die durch Liebe zu Gott und zum Nächsten beseeltes, rechtschaffenes und aufrichtiges Leben in den verschiedensten Berufen als Geistliche, Ordensleute und Laien eine Heiligkeit erlangt haben, die in ihrer Verborgenheit echt und weit verbreitet war. Schutzpatrone Europas an der Zeitenwende 2. Die Kirche zweifelt nicht daran, daß gerade dieser Schatz der Heiligkeit das Geheimnis ihrer Ver-gangenheit und die Hoffnung ihrer Zukunft ist ihm drückt sich nämlich am besten das Geschenk der Erlösung aus, durch das der Mensch von der Sünde befreit wird und die Möglichkeit zu einem neuen Leben in Christus erhält. In ihm findet das Volk Gottes auf seinem Weg durch die Zeit eine unvergleichliche Stütze, fühlt es sich doch zutiefst mit der Kirche verbunden, die im Himmel dem Lamm den Lobpreis singt (vgl. Offb 7,9-10) während sie für die noch auf Erden pilgernde Gemeinschaft Fürbitte einlegt. Darum hat das Volk Gottes seit ältesten Zeiten die Heiligen als Beschützer angesehen. Durch eine. einzigartige Gepflogenheit, an der sicher der Einfluß des Heiligen Geistes nicht unbeteiligt war, wurden dann die einzelnen Kirchen, Regionen und sogar Kontinente dem besonderen Schutz einiger Heiliger anvertraut Manchmal geschah es auf Drängen der Gläubigen, dem die Bischöfe nachgaben, dann wieder auf Initiative der Bischöfe selbst. Da gerade die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa. tagt, schien mir aus der oben gezeichneten Perspektive und angesichts des bevorstehenden Großen Jubiläums des Jahres 2000, daß die europäischen Christen aus der Betrachtung und der Anrufung mancher Heiliger, die auf ihre Weise besonders repräsentativ für ihre Geschichte sind, geistlichen Nutzen ziehen könnten. Die Christen in Europa erleben ja zusammen. mit ihren Mitbürgern einen epochalen Übergang, der zwar reich an Hoffnung, aber zugleich nicht frei von Sorgen ist. Ich habe mir daher nach entsprechender Beratung überlegt, das zu vollenden, was ich am 31. Dezember 1980 begonnen habe, als ich zwei Heilige des ersten Jahrtausends, die Brüder Cyrill und Methodius als Pioniere der Evangelisierung Osteuropas dem hl. Benedikt ln die Seite stellte und zu Mitpatronen Europas erklärte. So will ich nunmehr die Schar der himmlischen Schutzpatrone durch drei Gestalten ergänzen, die gleichfalls als Sinnbilder für entscheidende Augenblicke des zu Ende gehenden zweiten Jahrtausends stehen: die hl. Birgitta von Schweden, die hl. Katharina von Siena, und die hl. Teresia Benedicta a Cruce (Edith Stein). Drei große Heilige, drei Frauen, die sich In verschiedenen Epochen zwei im Hochmittelalter und eine in unserem Jahrhundert durch die tatkräftige Liebe zur Kirche Christi und durch das Zeugnis für sein Kreuz ausgezeichnet haben. Das weibliche Gesicht der Heiligkeit 3. Das Panorama der Heiligkeit ist natürlich so vielfältig und reich, daß die Wahl neuer himmlischer Schutzpatrone auch auf andere sehr würdige Gestalten hätte fallen können, deren sich jede Epoche und jede Region rühmen dürfen. Im Rahmen der von der Vorsehung bestimmten Tendenz, die sich in der Kirche und Gesellschaft unserer Zeit durch die immer klarere Anerkennung der Würde und; der eigentlichen Gaben der Frau durchgesetzt hat, halte Ich jedoch die Option für diese Heiligkeit mit weiblichem Antlitz für besonders bedeutsam. In Wirklichkeit hat es die Kirche von ihren Anfängen an nicht versäumt, die Rolle und Sendung der: Frau anzuerkennen, auch wenn sie sich bisweilen von den Bedingtheiten einer Kultur beeinflussen ließ, die der Frau nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit schenkte. Doch die christliche Gemeinschaft ist auch in dieser Hinsicht allmählich gereift und gerade die von der Heiligkeit - entfaltete Rolle hat sich dafür als entscheidend erwiesen. Ein ständiger Impuls ist. vom Bild Mariens, der idealen Frau; der Mutter Christi und der Kirche; ausgegangen. Aber auch der Mut der Märtyrinnen, die mit erstaunlicher Seelenkraft die grausamsten Qualen auf sich genommen haben,: das Zeugnis der Frauen, die sich mit beispielhafter Radikalität zum asketischen Leben verpflichtet haben, die tägliche Hingabe so vieler Ehefrauen und Mütter in der Familie Hauskirche, die Charismen so vieler Mystikerinnen, die zur theologischen Vertiefung beigetragen. haben: Sie alle haben der Kirche eine wertvolle Anleitung dafür gegeben, den Plan, den Gott für die Frauen hat, voll zu erfassen. Seine. unmißverständlichen Ausdruck findet diese Plan übrigens bereits auf einigen Seiten der Heiligen Schrift und besonders in der im Evangelium bezeugten Haltung Christi. Auf dieser Linie liegt auch die Wahl, die hl. Birgitta von Schweden, die hl. Katharina von Siena und die hl. Teresa Benedicta a Cruce zu Mitpatroninnen Europas zu er klären. Der Grund, der dann mein besonderes Augenmerk auf diese Frauen gelenkt hat, liegt in deren .Leben. Ihre Heiligkeit äußerte sich nämlich unter historischen Gegebenheiten und im Rahmen geographischer Räume, die sie für den europäischen Kontinent besonders bedeutsam erscheinen lassen. Die hl. Birgitta verweist auf den äußersten Norden Europas, wo sich der Kontinent mit den übrigen Teilen der Welt gleichsam zu einer Einheit verbindet; von dort ist sie aufgebrochen, um schließlich in Rom ihr Ziel zu finden. Auch Katharinna von Siena ist wegen der Rolle bekannt, die sie damals, als der Nachfolger Petri in Avignon residierte, durch die Vollendung eines geistlichen Werkes spielte, das bereits die hl. Birgitta begonnen hatte: Denn sie hatte die Rückkehr des Papstes an seinen eigentlichen Sitz in der Nähe des Grabes des Apostelfürsten gefördert. Die erst vor kurzem heiliggesprochene Teresia Benedicta a Cruce schließlich verbrachte nicht nur ihr Leben in verschiedenen Ländern Europas, sondern schlug mit ihrer ganzen Existenz als Denkerin, Mystikerin und Märtyrerin gleichsam eine Brücke zwischen ihren jüdischen Wurzeln und der Zugehörigkeit zu Christus. Sie tat es, indem sie mit sicherer Intuition im Dialog mit dem modernen philosophischen Denken stand und indem sie schließlich durch ihr Martyrium in der entsetzlichen und beschämenden Shoah die Gründe gleichsam herausschrie, die für Gott und den Menschen sprechen; So ist sie zum Ausdruck einer menschlichen, kulturellen und religiösen Pilgerschaft geworden, die den tiefen Kern der Tragödie und der Hoffnungen des europäischen Kontinents verkörpert. Birgitta von Schweden: Ehe und Familie 4. Die erste dieser drei großen Gestalten, Birgitta stammte aus einer Adelsfamilie und wurde im Jahr 1303 in Finsta in der schwedischen Region Uppland geboren. Sie ist vor allem als Mystikerin und Gründerin des Ordens des Heiligsten Erlösers bekannt. Man darf jedoch nicht vergessen, daß sie in der ersten Lebenshälfte dem Laienstand angehörte und mit einem frommen Christen glücklich verheiratet war, von dem sie acht Kinder hatte; Wenn ich auf sie als Mitpatronin Europas hinweise, möchte ich damit bewirken, daß sich ihr nicht nur diejenigen nahe fühlen, die die Berufung zu einem besonderen geist-lichen Stand empfange haben, sondern auch jene, die als Laien ihren gewöhnlichen Tätigkeiten in der Welt nachgehen und denen vor allem die hohe und verpflichtende Berufung zukommt, eine christliche Familie zu bilden. Ohne sich vom Wohlstandsleben ihrer gesellschaftlichen Klasse beirren zu lassen, lebte Birgitta mit ihrem Gemahl Ulf die Erfahrung eines Ehepaares, bei dem sich die eheliche Liebe mit intensivem Gebet, Studium der heiligen Schrift, Abtötung und Nächstenliebe verband. gemeinsam gründeten die Eheleute ein kleines Spital, wo sie häufig den Kranken Beistand leisteten. Birgitta hatte es sich sodann zur Gewohnheit gemacht, persönlich den Armen zu dienen. Zugleich wurde sie wegen ihrer pädagogischen Gaben geschätzt, die sie besonders dann entfalten konnte, wenn man sie am Hof von Stockholm um ihren Dienst ersuchte. Aus dieser Stellung sollten die Ratschläge heranreifen, die sie bei verschiedenen Gelegenheiten, Fürsten und Herrschern für die richtige Erfüllung ihrer Aufgaben erteilte. Aber an erster Stelle kam natürlich diese Fähigkeit ihren Kindern zugute, und es ist kein Zufall, daß eine ihrer Töchter, Katharina als Heilige verehrt wird. Doch diese Periode ihres Familienlebens war nur einen erste Etappe. Die Wallfahrt nach Santiago de Compostella, die sie 1341 zusammen mit ihrem Ehemann Ulf unternahm, bildete den symbolischen Abschluß dieser Phase. Für Birgitta war sie die Vorbereitung auf das neue Leben, das sie einige Jahre später begann, als sie nach dem Tod des Gatten die Stimme Christi vernahm, der ihr eine neue Sendung übertrug, während er sie durch eine Reihe außerordentlicher mystischer Gnaden Schritt für Schritt begleitete. Birgitta: Pilgerin und Mystikerin 5. Nachdem sie 1349 Schweden verlassen hatte, ließ sich Birgitta in Rom nieder, dem Sitz des Nachfolgers Petri. Der Umzug stellt einen Abschnitt in Birgittas Leben dar, der nicht für die geographische und kulturelle, sondern vor allem für die spirituelle Erweiterung ihres Herzens entscheidend war. Viele Orte Italiens haben sie als Pilgerin gesehen, deren tiefster Wunsch es war, die Reliquien der Heiligen zu verehren. Ort, die davon erzählen können sind: Mailand, Pavia, Assisis, Ortona, Bari Benevento, Pozzuolli, Neapel, Salerno, Amalfi und das Heiligtum des hl. Erzengels Michael auf dem Monte Gargano. Die letzte Wallfahrt, die sie zwischen 1371 und 1372 unternahm, führte sie nach Überquerung des Mittel-meeres in Richtung Heiliges Land und gestattet ihr, außer den vielen heiligen Stätten des katholischen Europa die eigentlichen Quellen des Christentums gleichsam geistlich zu umarmen, die als Orte vom Leben und vom Tod des Erlösers geheiligt sind. Noch mehr als durch dieses fromme Wallfahrten hat Birgitta aber durch den tiefen Sinn für das Geheimnis Christi und der Kirche in einem äußerst kritischen Augenblick ihrer Geschichte am Aufbau der kirch-lichen Gemeinschaft mitgewirkt. Die innige Verbun-denheit mit Christus war nämlich begleitet von besonderen Offenbarungscharismen, die sie zu einem Bezugspunkt machte, an dem sich viele Personen der Kirche ihrer Zeit ausrichteten. In Birgitta spürt man die Kraft der Prophetie. Die Töne, die sie anschlägt, erscheinen manchmal wie ein Echo der Stimmen der großen alten Propheten. Sicher und ent-schlossen spricht sie zu Fürsten und Päpsten. Ihnen enthüllt sie die Pläne Gottes in bezug auf die geschichtlichen Ereignisse. Sie spart auch nicht mit strengen Ermahnungen, was die sittliche Erneuerung des christlichen Volkes und selbst des Klerus betrifft (vgl. Revelationes, IV.49; vgl. auch IV,5). Manche Aspekte ihres außergewöhnlichen mystischen Schaffens lösten in der damaligen Zeit verständliche, Fragen aus. Ihnen gegenüber verwies die Prüfung durch die Kirche auf die einzige öffentliche Offen-barung die in Christus ihre Erfüllung und in der Heiligen Schrift ihren maßgebenden Ausdruck gefun-den hat Denn auch die Erfahrungen der großen Heiligen sind nicht frei von jenen Grenzen, die den Empfang der Stimme Gottes durch den Menschen immer begleiten. Es besteht jedoch kein Zweifel, daß die Kirche, als sie die Heiligkeit Birgittas anerkannte, die Authentizität ihrer inneren Erfahrung insgesamt billigte, auch ohne sich zu den einzelnen Offenbarungen zu äußern. Sie erscheint als eine bedeutende Zeugin des Raumes, den das Charisma in der Kirche haben kann, wenn es in voller Fügsamkeit gegenüber dem Geist Gottes und in voller Übereinstimmung mit den Ansprüchen der kirchlichen Gemeinschaft gelebt wird. Insbesondere nachdem sich die skandinavischen Länder, also die Heimat Birgittas, im Verlauf der traurigen Gescheh-nisse des 16. Jahrhunderts aus der vollen Gemein-schaft mit dem Römischen Stuhl losgelöst hatten, bleibt die Gestalt der schwedischen Helligen ein wertvolles ökumenisches Band, das den Einsatz noch verstärkt, den ihr Orden in diesem Sinne leistet. Katharina von Siena: Friedenstifterin 6. Nur wenig jünger ist die andere große Frauengestalt, die hl. Katharina von Siena, deren Rolle in den Entwicklungen der Kirchengeschichte und selbst bei der lehrmäßigen Vertiefung der geoffenbarten Botschaft tiefe Anerkennung gefunden hat, die in der Verleihung des Titels einer Kirchenlehrerin gipfelte. Die 1347 in Siena geborene Katharina war von frühester Kindheit an mit außerordentlichen Gnaden ausgestattet, die es ihr erlaubten, auf dem vom hl. Dominikus vorgezeichneten geistlichen Weg zwi-schen Gebet, asketischer Strenge und Werken der Nächstenliebe rasch zur Vollkommenkeit voran-zuschreiten. Sie war zwanzig Jahre alt, als Christus ihr durch das mystische Symbol des Brautringes seine besondere Liebe offenbarte. Es war die Krönung einer Vertrautheit, die in der Verborgenheit und Kontemplation, auch außerhalb der Mauern eines Klosters, durch das ständige Verweilen an jener geistlichen Wohnung herangereift war, die sie gern die innere Zelle nannte. Das Schweigen dieser Zelle, das Katharina für die göttlichen Eingebungen in hohem Maße bereit machte, konnte sich schon bald mit einem ganz außerordentlichen apostolischen Eifer verbinden. Viele Menschen, darunter auch Kleriker, sammelten sich als Schüler um sie und sprachen ihr die Gabe einer geistlichen Mutterschaft zu. Ihre Briefe verbreiteten sich in Italien, ja über ganz Europa. Denn die junge Frau aus Siena traf mit sicherem Ton und glühenden Worten den Kern der kirchlichen und gesellschaftlichen Probleme ihrer Zeit. Mit unermüdlichem Einsatz verwendete sich Katharina für die Lösung der vielfältigen Konflikte, von denen die Gesellschaft ihrer Zeit zerrissen wurde. Ihre Bemühungen um Friedensstiftung erreichten europäische Herrscher wie Karl V. von Frankreich Karl von Durazzo, Elisabeth von Ungarn, Ludwig den Großen von Ungarn und Polen sowie Johanna von Neapel. Bedeutend war ihre Initiative zur Versöhnung der Stadt Florenz mit dem Papst. Indem sie die Parteien auf den gekreuzigten Christus und die sanftmütige Maria hinwies, zeigte sie, daß es für eine an den christlichen Werten orientierte Gesell-schaft niemals einen Anlaß zu einem so schwer-wiegenden Streit geben kann, daß man die Vernunft der Waffen den Waffen der Vernunft vorziehen darf. Katharina von Siena: Ein Leben für die Kirche 7. Katharina wußte freilich genau, daß man nicht wirksam zu dieser Schlußfolgerung gelangen konnte, wenn nicht zuvor die Herzen von der Kraft des Evangeliums geformt worden waren. Daher rührt die Dringlichkeit der Reform der Gewohnheiten, die sie allen ohne Ausnahme vorschlug. Die Könige erinnerte sie daran, daß sie nicht regieren könnten, als wäre das Königreich ihr Eigentum: Vielmehr sollten sie sich bewußt sein, daß sie Gott über die Machtausübung Rechenschaft geben müssen. Aus diesem Wissen heraus sollten sie die Aufgabe annehmen die heilige und wahre Gerechtigkeit dadurch zu erhalten, daß sie sich zu Vätern der Armen machen (vgl. Brief Nr. 235 an den König von Frankreich). Die Ausübung der Herrschergewalt war nämlich nicht von der Übung der Nächstenliebe zu trennen, die zugleich die Seele des persönlichen Lebens und der politischen Verantwortung ist (vgl. Brief Nr: 357 an den König von Ungarn). Mit derselben Eindringlichkeit wandte sich Katharina an die Geistlichen jeden Ranges, um von ihnen die strengsten Konsequenzen im Leben und im pasto-ralen Dienst zu verlangen. Der freie, kraftvolle und eindringliche Ton, mit dem sie Priester, Bischöfe und Kardinäle ermahnt, macht Eindruck. Im Garten der Kirche - sagte sie - müßten die faulenden Pflanzen ausgerissen und durch frische, duftende neue Pflanzen ersetzt werden. Gestärkt durch ihre Ver-trautheit mit Christus scheute sich die Heilige aus Siena nicht, selbst den Papst, den sie als sanft-mütigen Christus auf Erden zärtlich liebte, mit aller Offenheit auf den Willen Gottes hinzuweisen, der ihm gebot, das von irdischer Vorsicht und weltlichen Interessen diktierte Zaudern und Zögern endlich auf-zugeben und von Avignon nach Rom zum Petrus-grab zurückzukehren. Mit derselben Leidenschaft opferte sich Katharina dafür auf, die Spaltungen abzuwenden, die sich bei der Papstwahl nach dem Tod Gregors XI. abzeich-neten: Auch in dieser Situation appellierte sie noch einmal leidenschaftlich an die unverzichtbaren Grün-de, die für den Erhalt der Gemeinschaft sprachen. Das war das höchste Ideal, an dem sie ihr ganzes Leben ausgerichtet hatte, während sie sich vor-behaltlos für die Kirche verzehrte. Das sollte sie selbst auf dem Sterbebett ihren geistlichen Kindern bezeugen: Seid gewiß, meine Lieben, daß ich das Leben für die heilige Kirche hingegeben habe (Seliger Raimondo da Capua, Leben der heiligen Katharina von Siena, Lib. III, c. IV). Edith Stein: Akzente ihres Lebens 8. Mit Edith Stein - der hI. Teresia Benedicta a Cruce - befinden wir uns in einem ganz anderen historisch-kulturellen Umfeld. Sie führt uns nämlich mitten in unser geplagtes Jahrhundert. Aus dieser Gestalt werden die Hoffnungen deutlich, die das Jahrhundert entzündet hat, aber auch die Widersprüche und das Scheitern, die es gekennzeichnet haben. Edith kommt nicht, wie Birgitta und Katharina, aus einer christ-lichen Familie. Alles in ihr drückt die Qual der Suche und die Mühsal der existentiellen Pilgerschaft aus. Auch nachdem sie im Frieden des kontemplativen Lebens bei der Wahrheit ange-kommen war, mußte sie das Geheimnis des Kreuzes bis zum Letzten leben. Edith wurde 1891 in einer jüdischen Familie in der Stadt Breslau geboren, die damals deutsches Staatsgebiet war. Aufgrund des Interesses, das sie für die Philosophie entwickelte, während sie die religiöse Praxis, in die sie von der Mutter eingeführt worden war, aufgab, hätte man bei ihr eher mit einem Leben im Zeichen des reinen Rationalismus ge-rechnet als mit einem Weg der Heiligkeit Aber die Gnade erwartete sie gerade auf den verschlungenen Wegen des philosophischen Denkens: Als sie den Weg der phänomenologischen Richtung einschlug, meinte sie, darin die Instanz einer objektiven Wirklichkeit zu erfassen, die keineswegs beim Subjekt endet, sondern vielmehr dessen Erkenntnis vor-ausgeht, sie ausmißt und deshalb mit strengem Bemühen um Objektivität geprüft werden muß. Man muß sich in diese objektive Wirklichkeit hineinhören, indem man sie vor allem im Menschen erfaßt. Dies geschieht mit Hilfe jenes Einfühlungsvermögens, das Empathie heißt (ein Wort, das Edith Stein sehr teuer war) und einem erlaubt, sich das von anderen Erlebte gewissermaßen zu eigen zu machen (vgl. Edith Stein, Das Problem der Empathie). In dieser Spannung des Hinhörens traf sie sich einerseits mit den Zeugnissen der christlichen spirituellen Erfahrung, wie sie die hl. Teresa von Avila und andere große Mystiker boten, deren Jüngerin und eifrige Nachahmerin sie wurde. Andererseits berührte sie damit die alte Überlieferung des christlichen Denkens, die im Thomismus eine feste Form erhalten hatte. Auf diesem Weg gelangte Edith zunächst zur Taufe, um sich dann für das kontemplative Leben im Karmelitinnenorden zu entscheiden. Das alles spielte sich im Rahmen eines ziemlich bewegten Lebens-weges ab, der außer von der inneren Suche auch von Forschungs- und Lehrverpfiichtungen geprägt war, die sie mit bewundernswerter Hingabe erfüllte. Besonders anerkennenswert in der damaligen Zeit war ihr aktives, ja geradezu kämpferisches Eintreten für die gesellschaftliche Förderung der Frau. Wirklich eindringlich sind die Abschnitte in ihren Schriften, wo sie den Reichtum des Frauseins und die Sendung der Frau unter menschlichem und religiösem Gesichts-punkt untersucht hat (vgl. E. Stein, Die Frau. Ihre Aufgabe gemäß Natur und Gnade). Edith Stein: Grundrechte der Person Dialog zwischen Juden und Christen Geschwisterliche Gemeinschaft in Europa 9. Die Begegnung mit dem Christentum veranlaßte sie nicht dazu, ihren jüdischen Wurzeln abzuschwören, sondern bewirkte, diese in ihrer ganzen Fülle wiederzuentdecken. Das ersparte ihr jedoch nicht das Unverständnis von seiten ihrer Angehörigen. Unsagbaren Schmerz bereitete ihr vor allem die von ihrer Mutter zum Ausdruck gebrachte Mißbilligung. In Wirklichkeit vollzog sich ihr Weg christlicher Vervollkommnung nicht nur im Zeichen der mensch-lichen Solidarität mit ihrem Volk, sondern auch einer echten geistlichen Teilhabe an der Berufung der Kinder Abrahams, die das Zeichen des Geheimnisses der Berufung und der unwiderruflichen Gaben Gottes in sich tragen (vgl. Röm 11, 29). Sie machte sich insbesondere das Leiden des jüdischen Volkes zu eigen, je mehr sich dieses in jener grausamen nazistischen Verfolgung zuspitzte, die neben anderen schwerwiegenden Äußerungen des Totalitarismus einer der dunkelsten Schandfiecke Europas in unserem Jahrhundert bleibt. Da ahnte sie, daß in der systematischen Ausrottung der Juden ihrem Volk das Kreuz Christi aufgebürdet wurde. Als persönliche Teilhabe an diesem Kreuz erlebte sie ihre eigene Deportation und Hinrichtung in dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Ihr Schrei verschmilzt mit dem aller Opfer jener schrecklichen Tragödie. Vorher hat er sich jedoch mit dem Schrei Christi vereint, der dem menschlichen Leiden eine geheimnisvolle, ewige Fruchtbarkeit verspricht. Das Bild ihrer Heiligkeit bleibt für immer mit dem Drama ihres gewaltsamen Todes verbunden, an der Seite der vielen, die ihn zusammen mit ihr erlitten haben. Dieses Bild bleibt als Verkündigung des Evangeliums vom Kreuz, in das sie mit dem von ihr als Ordensfrau gewählten Namen hineingenommen sein wollte. Wir blicken heute auf Teresia Benedicta a Cruce. In ihrem Zeugnis als unschuldiges Opfer erkennen wir einerseits die Nachahmung des Opferlammes und den Protest, der sich gegen alle Vergewaltigungen der Grundrechte der Person erhebt, andererseits das Unterpfand für jene neu belebte Begegnung zwischen Juden und Christen, die auf der vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschten Linie eine vielversprechende Zeit gegenseitiger Öffnung erfährt Wenn heute Edith Stein zur Mitpatronin Europas erklärt wird, soll damit auf dem Horizont des alten Kontinents ein Banner gegenseitiger Achtung, Toleranz und Gastfreundschaft aufgezogen werden, das Männer und Frauen einlädt, sich über die ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede hinaus zu verstehen und anzunehmen, um eine wahrhaft geschwisterliche Gemeinschaft zu bilden. Kultur und Ethik der europäischen Einheit 1O. Europa soll also wachsen! Es soll wachsen als Europa des Geistes auf dem Weg seiner besseren Geschichte, die gerade in der Heiligkeit ihren erhabensten Ausdruck findet. Die Einheit des Kontinents, die im Bewußtsein der Menschen allmählich reift und sich auch in politischer Hinsicht immer klarer abzeichnet, verkörpert gewiß eine sehr hoffnungsvolle Perspektive. Die Europäer sind auf-gerufen, die historischen Rivalitäten, die ihren Kontinent oft zur Bühne verheerender Kriege gemacht haben, endgültig hinter sich zu lassen. Gleichzeitig müssen sie sich darum bemühen, die Bedingungen für einen größeren Zusammenhalt und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu schaffen. Vor ihnen liegt die große Herausforderung, eine Kultur und eine Ethik der Einheit aufzubauen. Denn wenn diese fehlen, ist jede Politik der Einheit früher oder später zum Scheitern verurteilt. Um das neue Europa auf solide Grundlagen zu stellen, genügt es sicher nicht, nur an die wirtschaftlichen Interessen zu appellieren, die manchmal zusammenführen und dann wieder spalten. Vielmehr gilt es, die für Europa authentischen Werte zu betonen, deren Fundament das in das Herz eines jeden Menschen ein-geschriebene allgemeine Sittengesetz ist. Ein Europa, das den Wert der Toleranz und der all-gemeinen Achtung mit ethischem Indifferentismus und Skeptizismus in bezug auf die unverzichtbaren Werte verwechselte, würde sich den riskantesten Abenteuern öffnen und früher oder später die erschreckendsten Gespenster seiner Geschichte in neuer Gestalt wiederauftauchen sehen. Um diese Bedrohung zu bannen, erweist sich wieder einmal die Rolle des Christentums als lebenswichtig. Denn es weist unermüdlich auf den idealen Horizont hin. Auch im Lichte der vielfältigen Berührungspunkte mit den anderen Religionen, die das Zweite Vatikanische Konzil erkannt hat (vgl. Dekret Nostra aetate), muß man nachdrücklich betonen, daß die Öffnung für das Transzendente eine lebenswichtige Dimension der Existenz ausmacht. Es kommt daher wesentlich auf ein erneuertes engagiertes Zeugnis aller Christen an, die in den verschiedenen Nationen des Kontinents leben. Ihnen ist es aufgetragen, die Hoffnung auf das vollkommene Heil zu nähren durch die Verkündigung des Evangeliums, das heißt der Frohbotschaft, daß Gott zu uns gekommen ist und uns in seinem Sohn Jesus Christus die Erlösung und die Fülle des göttlichen Lebens angeboten hat. Kraft des Geistes, der uns geschenkt wurde, können wir unseren Blick zu Gott erheben und ihn mit dem vertraulichen Namen Abba, Vater, anrufen (vgl. Röm 8, 15; Ga/ 4,6). Neue Verehrung der drei großen Frauen in europäischer Sicht 11. Genau diese Verkündigung der Hoffnung wollte ich stärken, indem ich diese drei großen Frauengestalten, die in verschiedenen Epochen einen so bedeutenden Beitrag zum Wachstum nicht nur der Kirche, sondern auch der Gesellschaft geleistet haben, in euro-päischer Sicht zu neuer Verehrung empfehle. Durch jene Gemeinschaft der Heiligen, die auf geheimnisvolle Weise die irdische mit der himmlischen Kirche verbindet, nehmen sie sich in ihrer ewigen Fürbitte vor dem Thron Gottes unser an. Zugleich müssen die innigere Anrufung sowie die eifrigere und sorgfältigere Rückbindung an ihre Worte und ihr Vorbild in uns wieder ein schärferes Bewußtsein unserer gemeinsamen Berufung zur Heiligkeit wecken. So werden wir angespornt, Vorsätze zu hochherzigerem Einsatz zu fassen. Nach reiflicher Überlegung ernenne und erkläre ich daher kraft meiner apostolischen Vollmacht die hl. Birgitta von Schweden, die hl. Katharina von Siena und die hl. Teresia Benedicta a Cruce zu himmlischen Mitpatroninnen bei Gott für ganz Europa. Gleichzeitig gewähre ich ihnen alle Ehren und liturgischen Privilegien, die den Haupt-patronen der Orte rechtmäßig zustehen. Gepriesen sei die Allerheiligste Dreifaltigkeit, die in ihrem Leben und im Leben aller Heiligen in einzigartiger Weise aufstrahlt. Friede sei den Menschen guten Willens in Europa und in der ganzen Welt. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 1. Oktober 1999, dem einundzwanzigsten Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus II. ----------------------------------------------------------------------- www.edith-stein-medien.de |
#182 EDITH04.06.2006 - 15:16 |
10.0 Einführung zum Thema "Europa sancta" Gestern kam mir vor dem Bild des Prager Jesulein auf einmal der Gedanke, dass es ja den kaiserlichen Königsstaat trägt und sicherlich nicht zufällig gerade in Prag mit seiner Wirksamkeit zum Vorschein gekommen ist. Prag ist ja doch Jahrhunderte hindurch der Sitz der alten deutschen bzw. der römischen Kaiser gewesen und macht einen so majestätischen Eindruck, dass sich keine andere Stadt damit, die ich kenne, damit messen kann, auch Paris und Wien nicht. Das Jesulein kam gerade als es mit der politischen Kaiserherrlichkeit zu Ende ging. Ist es nicht der heimliche Kaiser, der einmal aller Not ein Ende machen soll? Es hat ja doch die Zügel in der Hand, wenn auch die Mensch zu regieren meinen. Edith Stein am 2. Februar 1942 an Johanna Weersth Europa Sancta das bedeutet nicht, dass Europa ein untadeliges und makelloses politisches Gebilde wäre, sondern dass zu seinen Strukturen die christliche Dimension mit ihren hohen Ansprüchen wesentlich beigetragen und sie geprägt hat und weiter in ihnen wirkt. Für diese Dimensionen stehen maßstabsetzend und hilfreich sechs Persönlichkeiten, die Papst Paul VI. und Papst Johannes Paul II. zu Patronen Europas erklärt haben, die Heiligen Benedikt, Cyrill und Method, Catarina von Siena, Birgitta von Schweden und Edith Stein. Edith Stein fügt sich somit einer spirituellen Gefährtenschaft von besonders hohen Maßstäben ein. Mit Benedikt von Nursia verbindet sie die Suche nach einer dem christlichen Anspruch angemessenen Lebensform, mit den Aposteln der Slawen, Cyrill und Method, die Liebe zum geschriebenen Wort, mit Brigitta von Schweden die Wertschätzung der Mystik als Gegenpol zur Vorherrschaft der absoluten Rationalität, mit Catarina von Siena der wache Blick für die gesellschaftliche und kirchliche Wirklichkeit. Edith Stein steht für weit dimensionierte Kontinuitäten in der christlichen Geschichte Europas. Für das Bekenntnis zu den jüdischen Wurzeln und ihre energieverleihende Integration in den christlichen Kosmos. Für die oftmals vernachlässigte Wertschätzung der Frau in den so oft der Verkrustung ausgesetzten gesellschaftlichen Strukturen. Für die stellvertretende Sühneleistung angesichts der scheinbaren Übermacht von Hass, Gewalt und Ungerechtigkeit. Edith Stein gelang eine moderne Konfiguration der biblischen messianischen Paradoxa, der Hoffnung wider alle Hoffnung, geistige Wegbereitung einer friedlichen Zukunft für Europa. Edith Stein ist nicht nur Maßstab, sie bietet auch Hilfe in den so vielfältigen Schwierigkeiten der europäischen Integration an, und die Europäer tun gut daran, nicht nur auf Aufklärung und Wissenschaft zu setzen, sondern vertrauensvoll diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ihr Lebensopfer und das ihrer Gefährtinnen und Gefährten ist auch der Preis für ein versöhntes Europa. Wie ein eschatologisches Zeichen steht ihre Gestalt über den Feueröfen von Auschwitz, diesem Mahnmal infernalischer Anmaßung, und ist weithin leuchtendes Zeugnis für jenes Feuer, das Gott selbst auf die Erde geworfen hat, von dem er wünscht, daß es brenne - brenne auch in uns! (Sr. Isa Vermehren) Dieses Bild interpretiert wie kein anderes das Papstwort, nach dem das Leben von Edith Stein die dramatische Synthese des 20. Jahrhunderts ist, unmittelbar betroffen von den Geburtswehen eines neuen Europa. Nicht weniger hilfreich und überzeugend steht daneben die von Edith Stein besonders geliebte und verehrte Gestalt des göttlichen Kindes, wie es sich in Prag darstellt, mit seiner Mutter, deren Anrufung in die Lauretanischen Litanei als Königin des Friedens im friedlosen 20.Jahrhundert eingefügt wurde. Der Sternenkranz, von dem sie in der Apokalypse umgeben wird, ist zum europäischen Kennzeichen geworden. ----------------------------------------------------------------------- www.edith-stein-medien.de |
#181 KIRCHENMUSIK03.06.2006 - 16:03 |
Kurz vor der 8.00-Uhr-Messe schnell noch einen Anruf. Kaum ist das Messgewand ausgezogen, steht schon die 1.Vorsitzende der kfd mit wichtigen Fragen in der Sakristei. Beim anschließenden Kaffee bleibt der letzte Schluck regelmäßig in der Tasse, denn der nächste Termin drängt. Und abends nach der wieder endlosen Kirchenvorstandssitzung bleibt oft nur noch der Wunsch, so schnell wie möglich ins Bett zu fallen. Priesterliches Leben in der Gemeindearbeit ist heute in der Regel geprägt von druckvoller Arbeitsbelastung und erhöhten Anforderungen. Der Abbruch, oder manchenorts besser: Zusammenbruch des volkskirchlichen Milieus und die Veränderungen in den pastoralen Strukturen fördern zudem Unsicherheit und Frustration bezüglich der eigenen Vorstellungen vom priesterlichen Leben, vom eigenen Priesterbild. Sinnvoll gestaltete freie Zeit und die damit verbundene Erholung sind ein Bereich, der hilft, Belastungen standzuhalten. Der andere, wichtigere, ist das Gebet. Ohne das Hören auf und Sprechen zu dem, in dessen Dienst der Priester steht, sind die Aufgaben nicht zu bewältigen. Der Reichtum der Gebetsweisen aus den vergangenen Jahrhunderten ist groß, eine persönliche Auswahl nötig. Die uralte und millionenfach erprobte und den Betenden zutiefst im Kraftzentrum Gottes haltende Gebetsform des Stundengebetes erweist sich dabei als ein goldenes Halteseil über die Abgründe eines hektischen Alltags. Es schafft und hält die notwendige Verbindung zu Gott, die allein befähigt, die priesterlichen Aufgaben im täglichen, manchmal ermüdenden Auf und Ab zu erfüllen. Ein verborgener Schatz In der 3. öffentlichen Sitzung des II.Vatikanums (4.12.1963) wurde die Konstitution über die Heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium verabschiedet. Die Konzilsväter beschrieben damals das Stundengebet eher als eine der Kirche obliegende Pflicht (85) und mahnten das ordnungsgemäße Verrichten an. (98). Auch wenn sie ebenfalls den vollen Genuss ansprachen (90), in den alle kommen sollen: Das Bewusstsein von der Schönheit und vom geistlichen Reichtum dieses Gebetes ist in den Jahrzehnten danach auf breiter Basis verschwunden. Eine Möglichkeit der Erfahrung des faszinierenden Kraftstroms, des Lichtbogens geisterfüllter Gemeinschaft mit Gott und mit allen, die ihn suchen, ist verschüttet und versteckt. Das Stundengebet ist heute ein verborgener, ja regelrecht vergrabener Schatz in einer nach den Perlen der Gotteserfahrung suchenden Welt. Es lohnt sich, dieses kostbare Juwel wiederzufinden. Ein dichtes Netz weben In seinen wesentlichen Formen reicht das Stundengebet bis in die Zeit der Urkirche zurück. Schon Jesus und seine Jünger, vor allem der Zwölferkreis, beteten zu bestimmten Stunden des Tages. (vgl. Apostelgeschichte 3,1; 10,3.9.30) Doch auch sie waren damit Glieder in einer Kette, tauchten als gläubige Juden ein in die Gebetstradition ihres Volkes. Über Jahrhunderte hinweg hatten schon vor Beginn der Kirche die Beter der tehillim, der Psalmen und des großen Hallel den Lobpreis Gottes gesungen oder dem Unbegreiflichen ihr Leid geklagt. In diesen unfassbaren Chor, in den alle Himmel stürmenden Ruf nach Gott, schwingt sich auch der heute Betende ein. Seine Stimme jubelt mit den Millionen Stimmen, die vor ihm riefen, seine Klagen schließen sich den Wehrufen der Klagenden aller Zeiten an. Selbst wenn das Stundengebet allein gebetet wird, in Trockenheit und Müdigkeit, niedergeschlagen und ohne Schwung: hineingewebt in dieses Netz beginnen über Zeit und Raum hinweg Quellen an Kraft und Mut neu zu fließen. Doch nicht nur der gewaltige Chor der Beter aller Epochen stimmt bei jeder Hore ein. Auch die Zeitspanne des jeweils Einzelnen, der sich vielleicht mühsam und stolpernd durch Hymnus, Psalmen und Lesung kämpft, ist eingeborgen in den großen Aufblick von Laudes, Sext oder Vesper. Zum Vater durch den Sohn im Heiligen Geist - der immer gleiche Impuls der dreifaltigen Liebe zieht und lockt den kleinen, endlichen Menschen in den nicht zu fassenden, nicht zu begreifenden, ewigen Gott. Meine Vergangenheit, meine Gegenwart, meine Zukunft, sie tauchen auf und kommen vor im Tanz der Antiphonen und Psalmverse. Meine Freuden, meine Sorgen, meine Hingabe und meine Lauheit spiegeln mir Lesung und Responsorium zurück, und alles ist umgeben vom heiligen Spiel der unerbittlichen Barmherzigkeit eines Gottes, der 24 Stunden lang, Tag und Nacht, sich um mich sorgt, sich nach mir sehnt. Nicht zuletzt die Wolke der Zeugen, die leuchtenden Vorbilder der Heiligen, deren Fest- oder Gedenktage eingestreut als sternfunkelnde Aufmunterung im Jahresverlauf erscheinen, helfen dem Beter sich zu vergewissern und zu glauben an die Güte dieses Gottes. Struktur als Hinweis auf das Heil Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde: der Beginn am Morgen macht den Charakter des Stundengebetes als Lob Gottes sofort deutlich. Und schon der rein strukturelle Aufbau - vor allem von Laudes und Vesper hilft, den Sinn christlichen Daseins zu verinnerlichen. Die Abfolge der einzelnen Elemente entspricht der christlichen Heilsordnung und Heilshoffnung. Im einleitenden Hymnus gesammelt und konzentriert und auf Jahreszeit oder Festkreis eingestimmt, wird der Beter aufgeschlossen für die anschließende Psalmodie. Hier ist Vers für Vers Raum für jede menschlich nur denkbare Situation. Und selbst wenn dem einzelnen Beter nie eine der angesprochenen Gegebenheiten entsprechen sollten, im großen Rund der Menschheitsfamilie ist immer jemand, auf den der Jubel oder die Klage des Psalms zutrifft. Und auch allein in der Kammer hinter verschlossenen Türen beten ja alle mit, betet das Gottesvolk füreinander. Der Psalm ist Preislied des Gottesvolkes, Verherrlichung des Herrn, Lobgesang der Gemeinde, Rufen der ganzen Menschheit, Beifall des Weltalls, Stimme der Kirche, wohlklingendes Bekenntnis des Glaubens, Ganzhingabe an die göttliche Macht, selige Freiheit, Ruf des Glücks, Widerhall der Freude. Der Psalm besänftigt den Zorn, behebt den Kummer und erleichtert den Gram. Waffe bei Nacht, Lehre am Tag. Schild in der Furcht, Festfeier in Heiligkeit. Abbild der Stille, Pfand des Friedens und der Eintracht. Am Tages-anfang klingt der Psalm auf, am Ende des Tages hallt er wider. (Ambrosius, Lektionar I/5,135) Die folgenden Lesungen wollen konkret als Verkündigung des Gotteswortes verstanden werden. Auch wenn die Evangelien hier ausgenommen sind, ist der Tisch des Wortes doch reich gedeckt. Während die kleinen Horen Terz, Sext und Non kurzen Erinnerungen gleichen ähnlich den Stoßgebeten zwischen Terminen dürfen die Zwillinge Laudes und Vesper als Wortgottesdienste verstanden werden. Als Höhepunkte innerhalb dieser Horen erhebt sich darum nun das Benedictus und das Magnificat als Zeugnis gebendes Danklied von der schon jetzt begonnenen Erlösung der Welt. In der Freude und im Lob nun ganz auf den Erlöser ausgerichtet, leuchtet als tiefster Goldgrund des Heilsplanes das Erbarmen des Vaters auf. In der zuversichtlichen Hoffnung darauf darf der Beter nun seine Bitten aussprechen. Im Vaterunser, in den Worten Jesu selbst, wird zum Schluss der alles umgreifende Bogen über Zeit und Raum noch einmal sichtbar, spürbar: Mensch und Welt sind eingeborgen in den ewigen Strahlenglanz göttlicher Liebe. Antwort darauf kann nur Dank und Lob sein. Mit weit geöffnetem Blick beten Um die Tiefe und den Reichtum des Stundengebetes auszuschöpfen und nicht der Versuchung zum stereotypen Herunterbeten zu erliegen, bedarf es manchmal, vor allem am Anfang, einiger Anstrengung. Sich einzulassen auf den vorgegebenen Rhythmus; ein gutes Maß zu finden für Tempo und Pausen; sich die Zeit zu nehmen, einzelnen Psalmversen oder der Lesung hinterher zu horchen wer beginnt, nur eine Hore lang in Ruhe und sehr bewusst zu beten, erwischt meist schon den rotgoldenen Faden der göttlichen Spur zwischen den Seiten des Stundenbuches. Mit sozusagen weit geöffnetem Blick die Worte wahrzunehmen und ihren Nachhall, das Echo der Seele (Ignatius von Loyola) im eigenen Herzen zu spüren, sensibilisiert allmählich für die allgegenwärtige Präsenz des Herrn. Christus kommt täglich, ja stündlich mehr in den Blick, erweist sich als unversiegbare Kraftquelle und lässt Belastungen des Dienstes leichter und konstruktiver (er)tragen. Selbst wer nur eine Hore regelmäßig achtsam wachsam beten kann, erfährt quasi pars pro toto die wachsende tief froh machende Verbindung zum Herrn. So wertvoll und reich, so kostbar und fruchtbringend können Laudes und Vesper, können die kleinen Horen, können Komplet und Lesehore gebetet werden, dass klar wird: So einen Schatz darf niemand für sich behalten. Und es wäre für die heute so dringend notwendige Erneuerung geistlichen Lebens in den Gemeinden einen Versuch wert, das Stundengebet vorsichtig auszuprobieren. Aber auch hier gilt: der Versuchung zum Herunterbeten widerstehen und in Ruhe, sensibel für die den Horen innewohnenden Rhythmus und Anspruch mit wachsamem Gespür für den verborgenen Schatz anbieten. |
#180 ENGLISCH03.06.2006 - 10:47 |
...in her films that is. ("das heißt / allerdings nur"![]() ---was turned down ("Antrag wurde abgelehnt" ![]() they are not getting married just yet! ( "Haben vorerst nicht vor, zu heiraten" ![]() \ |
#179 JOH PAUL II01.05.2006 - 14:22 |
Dear Young People, Ask yourselves: Do I believe these words of Jesus in the Gospel? Jesus is calling you the light of the world. He is asking you to let your light shine before others. I know that in your hearts you want to say: "Here I am, Lord. Here I am. I come to do your will" (Responsorial Psalm; cf. Heb 10:7). But only if you are one with Jesus can you share his light and be a light to the world. Are you ready for this? Sadly, too many people today are living apart from the light in a world of illusions, a world of fleeting shadows and promises unfulfilled. If you look to Jesus, if you live the Truth that is Jesus, you will have in you the light that reveals the truths and values on which to build your own happiness, while building a world of justice, peace and solidarity. Remember what Jesus said: "I am the light of the world; those who follow me will not walk in darkness, but will have the light of life" (cf. Jn 8:12). Because Jesus is the Light, we too become light when we proclaim him. This is the heart of the Christian mission to which each of you has been called through Baptism and Confirmation. You are called to make the light of Christ shine brightly in the world. When you were little, were you sometimes afraid of the dark? Today you are no longer children afraid of the dark. You are teenagers and young adults. But already you realize that there is another kind of darkness in the world: the darkness of doubt and uncertainty. You may feel the darkness of loneliness and isolation. Your anxieties may come from questions about your future, or regrets about past choices. Sometimes the world itself seems filled with darkness. The darkness of children who go hungry and even die. The darkness of homeless people who lack work and proper medical care. The darkness of violence: violence against the unborn child, violence in families, the violence of gangs, the violence of sexual abuse, the violence of drugs that destroy the body, mind and heart. There is something terribly wrong when so many young people are overcome by hopelessness to the point of taking their own lives. And already in parts of this nation, laws have been passed which allow doctors to end the lives of the very people they are sworn to help. Gods gift of life is being rejected. Death is chosen over life, and this brings with it the darkness of despair. But you believe in the light (cf. Jn 12:36)! Do not listen to those who encourage you to lie, to shirk responsibility, to put yourselves first. Do not listen to those who tell you that chastity is passé. In your hearts you know that true love is a gift from God and respects his plan for the union of man and woman in marriage. Do not be taken in by false values and deceptive slogans, especially about your freedom. True freedom is a wonderful gift from God, and it has been a cherished part of your countrys history. But when freedom is separated from truth, individuals lose their moral direction and the very fabric of society begins to unravel. Freedom is not the ability to do anything we want, whenever we want. Rather, freedom is the ability to live responsibly the truth of our relationship with God and with one another. Remember what Jesus said: "you will know the truth and the truth will set you free" (Jn 8:32). Let no one mislead you or prevent you from seeing what really matters. Turn to Jesus, listen to him, and discover the true meaning and direction of your lives. You are children of the light (cf. Jn 12:36)! You belong to Christ, and he has called you by name. Your first responsibility is to get to know as much as you can about him, in your parishes, in religious instruction in your high schools and colleges, in your youth groups and Newman Centers. But you will get to know him truly and personally only through prayer. What is needed is that you talk to him, and listen to him. Today we are living in an age of instant communications. But do you realize what a unique form of communication prayer is? Prayer enables us to meet God at the most profound level of our being. It connects us directly to God, the living God: Father, Son and Holy Spirit, in a constant exchange of love. Through prayer you will learn to become the light of the world, because in prayer you become one with the source of our true light, Jesus himself. Each of you has a special mission in life, and you are each called to be a disciple of Christ. Many of you will serve God in the vocation of Christian married life; some of you will serve him as dedicated single persons; some as priests and religious. But all of you must be the light of the world. To those of you who think that Christ may be inviting you to follow him in the priesthood or the consecrated life I make this personal appeal: I ask you to open your hearts generously to him; do not delay your response. The Lord will help you to know his will; he will help you to follow your vocation courageously. Young friends, in the days and weeks and years ahead, for as long as you remember this evening, remember that the Pope came to the United States, to the City of St. Louis, to call the young people of America to Christ, to invite you to follow him. He came to challenge you to be the light of the world! "The light shines in the darkness and the darkness does not overcome it" (Jn 1:5). Jesus who has conquered sin and death reminds you: "I am with you always" (Mt 28:20). He says: "Courage! It is I; have no fear" (Mk 6:50). On the horizon of this city stands the Gateway Arch, which often catches the sunlight in its different colors and hues. In a similar way, in a thousand different ways, you must reflect the light of Christ through your lives of prayer and joyful service of others. With the help of Mary, the Mother of Jesus, the young people of America will do this magnificently! Remember: Christ is calling you; the Church needs you; the Pope believes in you and he expects great things of you! Praised be Jesus Christ! So I am prepared to return once more to play hockey! But if I will be able to, that is the question. Perhaps after this meeting, I will be a bit more ready! John Paul II, Speech at the St. Louis Youth Rally, January 26, 1999 |
#178 MUSIC01.05.2006 - 09:26 |
Abbey of Solesmes Cantemus Domino Church Music Association of America The Gregorian Association Thomas G. McFaul, The Sad State of Liturgical Music in the Catholic Church Ordo Antiquus Fr. Robert A. Skeris, Singing Lessons J.A. Tucker, The Hidden Hand Behind Bad Catholic Music |